Die deutsche My so-called Life Mailingliste

The So-called FortsetzungsFanFiction

Teil 10 von Sascha "SAB" Beck


Wie in einer gigantischen leeren Halle echote das schrille "DAD" in ihrem Kopf weiter.

Das konnte einfach nicht die Realität sein. Angelas Sinne nahmen zwar wahr, wie Graham und Hallie abrupt voneinander abliessen und beide ihre Kleidung hektisch zurechtzupften, doch Angela hatte das Gefühl, als wären das die Sinneseindrücke einer fremden Person. Das konnte ..., das *durfte* einfach nicht...

Irgendjemand rief ihren Namen. Es war wohl ihr Vater. Wer war dieser Mann ?

Sie träumte. Sie würde gleich aufwachen und feststellen, dass sie in ihrem Bett lag.

Der Körper, in dem sie steckte, machte ein paar Schritte zurück.

Wieder rief irgendjemand ihren Namen. War es ihr Vater ? War es Hallie ? Wen interessierte es ? Sie würde gleich aufwachen, der Wecker würde 3:49 A.M. anzeigen, sie würde ins Badezimmer gehen und sich ein Glas Wasser holen.

"Angela !". Wieder dieses Wort. Sie presste ihre Hände auf die Ohren.

Vielleicht auch lieber ein Glas Milch aus der Küche ? Ihr Vater, also nicht dieser Mann, da der gerade mit halboffenem Hemd und ausgebreiteten Armen auf sie zulief, würde ihr bestimmt auch noch etwas warmen Kakao machen. Er würde ihn ihr in ihrem roten Winnie-Poo-Becher geben und würde sie beruhigen, bis sie wieder einschlief.

Was sollten diese Tränen ?? Sie wollte aufwachen.

"Es ist nicht wie du denkst ..."

Frische Luft. Sie stand wieder ausserhalb des Restaurants.

Sie würde nicht aufwachen. Der rote Becher war vor 3 Jahren zerbrochen, als sie ihre Schultasche zu schnell vom Frühstückstisch heruntergezogen hatte. Dieser Alptraum war real. Schon wieder. Klirrend war er auf dem Küchenboden zerschellt. Sie hatte noch schnell die Scherben zusammengekehrt, damit ihre Eltern nichts merkten.

Sie begann zu laufen. Noch vor 5 Minuten - in einem anderen Leben - war sie müde, erschöpft, zu niedergeschlagen sogar zum Gehen. Nun wollte sie nur noch weg. Weit weg. Schnell.

"Angela !! ..."

Mit versteinerter Miene blickte Graham Chase, Vater zweier Kinder und verheiratet seit 18 Jahren, seiner ältesten Tochter hinterher, wie sie weinend die Strasse hinunterrannte. Von ihm fort.

Langsam lehnte er sich mit der Schulter gegen den Türrahmen und rutschte daran herunter, bis er auf dem Boden saß. Zusammengekauert verbarg er sein Gesicht in den Händen, während im Inneren des Restaurants Hallie Lowenthal an einem der provisorischen Klapptische sass und mit starrem Blick ihr texanisches Blut verfluchte.

* * *

Es konnte einfach nicht besser werden.

Brian saß neben Amy auf einer kleinen Mauer vor dem ehemaligen Jugendzentrum. Für die Jahreszeit war es überraschend mild, doch ohne dicke Jacke konnte man es hier draussen trotzdem nicht lange aushalten. Aber drinnen war es auch nicht gerade angenehmer.

"Residue" probte noch immer, jedoch schafften sie es kaum noch einen Song fehlerfrei zu Ende zu spielen. Entweder kam der Schlagzeuger aus dem Takt oder Dylan vergass seinen Text oder Mark am Bass vergriff sich total und Jordan warf mal wieder seine Gitarre frustriert auf den Boden. Sie konnten aber nur einmal pro Woche hier proben (seitdem Tino ausgestiegen war, war es verdammt schwer, vernünftige Proberäume aufzutreiben), also würden sie ihre Zeit bis um 20 Uhr wohl voll ausnutzen.

Sean hatte versprochen, sie alle um diese Zeit wieder abzuholen, also mussten Brian und Amy das wohl oder übel durchstehen. Aber Brian hatte damit eigentlich gar keine Probleme - naja, fast keine.

Ein lautes "schrääängg", gefolgt von einem nicht minder lauten "Damn it !" riss Brian aus seinen Gedanken.

"Definitiv Jordan ! Siebenundzwanzig !" rief Amy lachend und ritzte mit einem langen Stock einen weiteren Strich in den Boden.

"Heute nacht träume ich von diesem 'Ugly Kid Joe' Song." kommentierte Brian und beäugte kritisch die imposante Anreihung von Markierungen im Boden.

Prompt erntete er einen gespielt beleidigten Blick von Amy.

"Das heisst, wenn ich mal nicht von Dir träume, natürlich." korrigierte er sich selbst und küsste sie wieder. Himmel, um die Zahl aller Küsse dieses Tages in einer Strichliste festzuhalten, würde die Fläche eines Footballplatzes nicht ausreichen !

Er konnte es nicht glauben. Noch vor einigen Tagen hatte er das Gefühl gehabt, als hätte sein Leben ein abruptes Ende gefunden. Der Moment, in dem er Angela unter der Laterne so nahegekommen war, schien ihm einige Ewigkeiten lang gewesen zu sein und Sekunden später schien alles zerbrochen zu sein. Als würde er nie glücklich sein können.

Und jetzt ? Jetzt sass er hier, mit einem perfekten Leben, perfekten schulischen Leistungen und einer perfekten Freundin, an einem Abend, an dem sogar Ugly Kid Joe's "I hate everything about you" von einer lokalen Anfänger-Provinzband interpretiert traumhaft romantisch wie die himmlischsten Harfenklänge erschien... welch Höhepunkt ! Sein Leben konnte nicht besser werden. Und er hatte das sichere Gefühl, daß es auch nie wieder schlechter werden würde. Als hätte eine ganze Gruppe von Schicksalsmächten entdeckt, daß es Zeit war, Brian Krakow aus Pittsburgh seine seit 16 Jahren ausstehende Ration Glück zuzugestehen. Die Zeiten des alten Brian waren vorbei, ein für alle mal.

Ein quietschend-schriller Ton, der entfernt an das Geräusch eines schwer mishandelten Meerschweinchens erinnerte, unterbrach das Liebespaar erneut. "Achtundzwanzig." grummelte Brian genervt. "Bei dreissig gehen wir 'ne Pizza essen." fügte er hinzu und zog schon mal seinen Geldbeutel heraus, um die Menge seines Barvermögens einschätzen zu können.

* * *

"Das wird nicht reichen !!" brüllte eine Stimme aus dem Zuschauerraum.

Seufzend zog Rickie den Regler weiter nach oben. "Und jetzt ?" brüllte er zurück.

"Geht's nicht noch etwas heller ?"

"Rayanne, wir erwarten keine Busladung von Maulwürfen - ich bin mit dem Ding schon fast am Anschlag !!" rief er und blickte hinüber zu Corey, der dabei war, die Scheinwerfer richtig auf die Bühne auszurichten.

"Scheiss drauf, der linke ist definitiv viel zu dunkel - du weisst doch, 'dunkel' - Gegenteil von hell !"

"Also gut" murmelte Rickie und schob den Regler endgültig bis auf Maximum.

"Maximum !" brüllte er dementsprechend hinunter ins Auditorium und beobachtete kritsch das kleine Lämpchen, das zaghaft flackernd daraufhinwies, das die Lichtanlage nun unter Vollast lief.

"makschimumm." äffte Rayanne leise nach, während sie auf die Bühne ging und in das gleissende Licht trat. Vielleicht sollte sie doch mal Tino anrufen, der konnte bestimmt noch etwas Power in diese Anlage pusten. Heute war schon Donnerstag und am Samstag war die erste Aufführung, wie sollten diese Pfuscher da oben das bloss ohne Hilfe von Profis hinkriegen ?

"Das klappt nie" sagte sie zu sich selbst und tastete die beruhigende Wölbung in ihrer Jackentasche ab. Hoffentlich war sie noch nicht leer.

"uh ... oh, ... das ist aber ... eh ... hell !?" hörte sie Katimskis Stimme neben ihr. Ruckartig drehte sie sich zu ihm herum.

"Hell ? Daß ich nicht lache. Wer hantiert da eigentlich an den Scheinwerfern herum ? Wie der Kerl wackelt ! Da könnte man genausogut 'ne 100jährige Oma mit 'ner Taschenlampe da oben hinstellen..." meinte sie aggressiv und brüllte um so lauter nach oben "Corey, verflucht, kannst Du den Scheinwerfer zur Abwechslung nicht mal *vorsichtig* bewegen ?!?"

"Rayanne ..." begann Katimski sanft und legte seine Hand auf ihre Schulter, doch sie hörte ihn gar nicht an, sondern verliess mit stampfendem Schritt und einem kurzen "Muss auf's Klo." die Bühne.

"Mann, ist die aber mies drauf." meinte Abyssinia und schüttelte ihren Kopf, als Rayanne neben ihr durch den Gang davongestampft war. "Sie ist nur nervös. Lampenfieber." antwortete Delia. "Huh ?? Wohl eher Selbstüberschätzung." "Ich hoffe bloß, sie macht jetzt keine Dummheiten" murmelte Delia und blickte Rayanne besorgt hinterher. "Was meinst Du damit ?" "Sie ... sie ist manchmal ... wohl etwas labil." "Labil ?" "Sie trinkt." meinte Delia kurz. "Das tut sie nicht !!" sagte Rickie empört, der gerade aus der technischen Regie herunter gekommen war und in seiner Tasche nach einem Notizblock suchte. "Rickie ... schau doch hin." "Sie trinkt nicht. Sie hat es mir versprochen. Und ich vertraue ihr." antwortete Rickie, doch seine Stimme war nicht frei von Zweifel.

Mit zusammengekniffenen Lippen nickte Delia kurz. "Das ist viel zu hell."

"Wie bitte ... !?"

* * *

Ein alter beiger Pickup fuhr vor und es dauerte einige Sekunden, bis endlich jemand ausstieg. Noch ein Kuss. Dann schloss sich die Autotür wieder und Brian stand alleine am Strassenrand vor seinem Haus und winkte dem sich rasch entfernenden Pickup hinterher. Auch als der Wagen schon längst ausser Sichtweite war, stand er noch da und blickte die Strasse entlang. Es dauerte einige Zeit, bis ihm die zusammengekauerte Person auffiel.

Da sass eindeutig jemand zwei Häuser weiter auf dem Bürgersteig, die Arme um die Knie geschlungen und den Kopf tief zwischen den Armen vergraben.

Während er vorsichtig näher ging, erkannte Brian, daß dieses Häufchen Elend Angela war.

Die letzten paar Schritte lief er, kaum war er bei ihr angelangt, berührte er ihre Schulter. "Angela ... was ist ... " Angela zuckte zusammen und sprang auf.

"Brian ... lass mich in Ruhe."
"Aber ... was machst Du ..."
"Bitte ! Lass mich ganz einfach... alleine."
"Okay, okay. Ich geh ja schon." meinte Brian und ging ein paar Schritte zurück, auf sein Haus zu, aber er beobachtete sie aus dem Augenwinkel weiter und blieb nach ein paar Schritten wieder stehen.

Pötzlich fing Angela an zu torkelen und in Tränen auszubrechen.

Brian lief wieder zurück und nahm sie in den Arm. Angela akzeptierte diese Annäherung wie selbstverständlich. Das hatte er noch nie getan - er hatte sich immer gewünscht, sie in einer schwierigen Situation zu trösten, aber nie hatte sich die Gelegenheit dazu gegeben. Nun hatte er es einfach getan. Ohne gross nachzudenken. Dafür ertappte er sich jetzt bei dem Gedanken daran, daß er ihre Brüste trotz des dicken Stoffs ihrer Jacken spüren konnte.

Dankbar klammerte sich Angela an ihn und schluchzend verbarg sie ihr Gesicht an seinem Hals.

"Sind nicht Deine Schuhe, was ?" meinte Brian leise und sanft strich er mit seiner Hand über ihren Rücken. Sie drückte sich eng an ihn und weinte noch immer.

Es dauerte einige Augenblicke, bis sie reagierte. "Was ?" murmelte sie leise und blickte ihn an. Ihre Blicke trafen sich, hielten sich fest und plötzlich war da etwas. Es machte Brian Angst. Das hier nicht gut. Oder vielleicht doch ?

Alles geschah wie in Zeitlupe, Angela's Schluchzen endete und sie wurde ganz ruhig, er war plötzlich unfähig, sich zu bewegen, ihr Kopf kam näher, immer näher, neigte sich leicht, ganz nahe, plötzlich berührten sich ihre Lippen, erst die Unterlippe, die Oberlippe, Brian hörte nicht den Wagen kommen, ihre Lippen verschmolzen, was passierte hier, er hatte es sich immer gewünscht, er wollte es, das zerstörte alles, es war falsch, jemand sagte "Brian !?", es war die andere, sie küssten sich, AMY ??

Oh mein Gott.

* * *

Patty kochte vor Wut.

"Was soll das heissen, sie ist nicht zu Hause ? Es ist schon 21 Uhr und morgen ist ein Schultag und sie war den *ganzen* Tag nicht zuhause ?"

Danielle zuckte mit den Schultern und schaute ihre Mutter eingeschüchtert an.

"Und wo ist *dein* gnädiger Herr Vater ? Hat er sich vielleicht im Laufe des Tages blicken lassen ?"

"Er war nicht ..."
"Wo ist die Handynummer von dieser .... dieser *Person* ?" rief Patty und ging in die Küche ans schwarze Brett um, Notizblättchen aller Farben und Formen nach der Telefonnummer zu durchsuchen.
Sie musste es lange klingeln lassen, bevor jemand den Anruf entgegennahm.
"Ja ?" kam es leise von der anderen Seite - ziemlich Hallie-untypisch.
"Äh, Hallie ? Hallie Lowenthal ?" fragte Patty vorsichtig nach.
"Oh mein Gott - Patty, Mrs Chase -- ich -- oh Gott -- es tut mir so leid --- ich wollte nie ---"

"**Hallie** ?? Was zum Teufel ist passiert ?? Ist es Graham ??" Eine unsichtbare Hand schnürte ihr die Kehle zu. "Ist ein Unfall passiert ?? Hallie, sagen sie es mir !" rief sie in den Hörer. Danielle starrte sie mit weitaufgerissenen Augen an.

"Es tut mir so leid -- wir wollten das nicht --- es ist einfach so passiert -- es war meine Schuld, nur meine ..." murmelte Hallie von der anderen Seite stotternd weiter. Schliesslich besann sie sich. "ich kann jetzt nicht mit ihnen ... auf wiederhören."

"HALLIE !!" brüllte Patty in den Hörer, doch schon hörte sie das typische "klick" von der anderen Seite - die Verbindung war getrennt.

Danielle stürmte heulend auf ihre Mutter zu. "Ist Daddy tot ?? Was ... was ist mit Daddy ?" Mit ihren kleinen Fäusten schlug sie auf Patty ein, während diese verzweifelt versuchte, Hallie's Nummer erneut zu wählen. "Danielle, ich weiss es nicht, es ist bestimmt alles in Ordnung, alles wird gut" murmelte sie und lauschte dem Klingelton im Hörer.

Plötzlich meldete sich eine Stimme vom Band "Der von Ihnen gewünschte Teilnehmer ist derzeit nicht erreichbar. Bitte versuchen Sie es später ..." Patty hing den Höher wieder in den Apparat.

Danielle schluchzte noch immer vor sich hin und stammelte immer wieder "Was ist mit Daddy ?"

* * *

Ruckartig stiess er Angela von sich weg. Sie kam leicht ins Straucheln, fiel beinahe, stand schliesslich aber mit offenem Mund da und versuchte zu begreifen, was sie da gerade getan hatte.

Sie beobachtete, wie Brian auf Amy einredete, doch sie warf ihm seine Schultasche (die er wohl im Wagen vergessen hatte) vor die Füsse auf den Boden, ging um den Pickup herum und stieg wieder ein, ohne ihm nur eine Sekunde zuzuhören. Brian stellte sich vor das Auto und fuchtelte in der Luft herum, er redete wie ein Wasserfall.

Er versuchte, alles zu erklären, er zeigte auf Angela, doch Amy's Bruder lies unbeeindruckt davon den Wagen an, doch da Brian direkt vor dem Pickup stand und Sean den Wagen so geparkt hatte, daß auch der Rückwärtsgang ausschied, konnte er nicht losfahren.

Angela stand noch immer da, sie sah, wie Sean plötzlich die Fahrertür öffnete, wie er auf Brian zuging, wie Brian keinen Schritt zurückging, sondern immer noch verzweifelt Amy's Namen rief. Sie hörte, wie Brian aufschrie, als Sean's Faustschlag ihn direkt im Gesicht traf. Sie beobachte, wie Brian zur Seite sackte und auf den schmalen Rasenstreifen fiel, sie konnte nichts tun, sie stand nur da, sie sah, wie Sean wieder einstieg und mit Amy wegfuhr.

Stumm sah sie mit an, wie Brian sich aufrappelte, seine Tasche aus dem Dreck zog und auf sein Haus zuging.

"Brian ?" rief sie zaghaft, er sah sie an, seine Nase blutete, was hatte sie getan ? Er öffnete seinen Mund, sie konnte es nicht hören, sie war zuweit weg, sie konnte es von seinen blutverschmierten Lippen ablesen: "Ich hasse dich."

Er würdigte sie keines weiteren Blickes, sondern verschwand in seinem Haus. Angela konnte nicht mehr weinen, sie hatte keine Tränen mehr, nur ein trockenes Husten drang aus ihrer Kehle hervor; schliesslich drehte sie sich um und ging.

* * *

"Da ist Mr. Morgan's Apotheke. Und hier ist die High School, für immer und immer. Und da ist die Kirche, in der ich heiratete. Oh Liebster! Oh Liebster! ... Wo ist Chi Kwon, verflucht !?!?"

"Komme, komme !" ertönte es hinter der Bühne.

Rayanne trat frustriert gegen einen Stuhl. "Kannst Du Dir nicht einmal Deinen Einsatz merken, herrgott ?"

"Sorry. Ich musste mal. Ich bin ja so nervös ... mein Magen ..." antwortete Chi eingeschüchtert.

"Mädels, Mädels, ganz ruhig !" rief Katimski von unten herauf. "Es ist die Generalprobe, es ist die letzte Chance, wir sind alle ... eh ... nervös, aber das ist noch lange kein Grund, um auf einander loszugehen. Also los, wir beginnen noch mal dort, wo Emily das Haus ihrer Mutter betritt. Alles bereit ? Okay, dann los. Da ist Mr Morgan's ..." half er.

"... ist Mr. Morgan's Apotheke." fuhr Rayanne fort. "Und hier ist die High School, für immer und immer. Und da ist die Kirche, in der ich heiratete. Oh Liebster. Oh Liebster!! ... Guten Morgen, Mama"

"Hallo, mein Liebes, ich wünsche Dir einen wunderschönen Geburtstag. Da warten einige Überraschungen ... eh ... dem ... eh ... ?" Verzweifelt suchte Chi nach dem Text.

"KÜCHENTISCH !! Mein Gott, Du wirst Dir doch dieses simple Wort merken können !?"

* * *

Verzweifelt überlegte Patty, wen sie anrufen könnte. Die Polizei. Sie war gerade dabei die 911 einzutippen, als jemand die Haustür öffnete.

"Daddy ?" brüllte Danielle auch schon im selben Moment und rannte aus der Küche heraus.

Langsam folgte Patty ihrer jüngsten Tochter in das Wohnzimmer, und als sie Graham an der Tür stehen sah, stiess sie einen kurzen Schrei der Erleichterung aus und lief auf ihn zu.

"Oh mein Gott, wo warst Du bloss, was zum Teufel ist passiert ?" bestürmte sie ihm mit Fragen, während Danielle ihren Dad engumklammert hielt und ihn nicht mehr loslassen wollte.

"Patty, wir müssen reden." eröffnete er mit ernstem Gesicht.

"Wieso *wir* ? *Du* musst erzählen, was ist eigentlich passiert ?? Ich habe Hallie angerufen, sie hat totalen ..."

"*Du* hast mit *Hallie* telefoniert ??" unterbrach er sie ungläubig.

"Ja, sie war total durcheinander und hat irgendwelche Horror-Geschichten ... wo ist Angela ?" fiel ihr dann ein.

"Was soll das heissen ?" Graham starrte sie erschrocken an. Damit hatte er nicht gerechnet. "Sie war im Restaurant, als ... Ist sie denn nicht hierher gelaufen ?" fragte er und blickte Patty an, die nachdenklich den Kopf schüttelte.

"Was ist passiert zwischen Dir und Hallie und was hat Angela damit zu tun ?"

Verzweifelt strich Graham sich mit den Händen durch die Haare und ging einen Schritt auf Patty zu, doch sie wich zurück. "Patty ..." begann er.

Danielle schaute ihre Eltern beunruhigt an. Das hier war noch lange nicht zu Ende.

* * *

Es war fast 23 Uhr, als Rayanne endlich auf dem Weg nach Hause war. Die Generalprobe hatte in einem absolutem Chaos geendet, alle Beteiligten, ob vor oder hinter der Bühne waren von ihrer Nervösität geradezu aufgefressen worden. Schliesslich hatte Katimski die Probe abgebrochen, erstens weil es eh schon viel zu spät war und zweitens weil auch er schliesslich gemerkt hatte, daß es keinen Sinn mehr brachte.

Auch obwohl sie alles andere als nüchtern war, erkannte Rayanne sofort, daß es Angela war als sie eine Person auf der Treppe vor dem Apartementwohnungskomplex sitzen sah. Offenbar war Angela tief in Gedanken versunken, denn als Rayanne sie ansprach, zuckte sie ziemlich heftig zusammen.

"Hey Angelique ? Was is' los ?" fragte sie und liess sich auf die Stufe neben Angela fallen.

"Ich ... ich ... Sharon ist nicht da und Brian ... es tut mir so leid ... ich kann nicht nach Hause ... Kann ich bei Dir schlafen ? Heute nacht ?" fragte sie und schaute Rayanne mit rotgeweinten Augen an.

Rayanne zuckte mit den Schultern. "Sicher. Amber hat heute Nachtschicht im Krankenhaus, also wird auch keiner Fragen stellen. Glaube ich." murmelte sie noch und fing an eine Melodie zu pfeifen.

"Du bist betrunken, Rayanne !" rief Angela. "Wie kannst Du das bloß tun ? Wie kannst Du das tun, nach alldem was passiert ist ?" schrie sie sie verzweifelt an.

"Hey, das war nur eine kleine Party gegen die Nervosität. Die Katimskis und Rickies haben doch gar keine Ahnung von einer professionellen Theater-dingsda. Irgendwer muss doch da die Kontrolle bahlten."

"Und deshalb trinkst Du ?"

"Hey, Miss Rühr-Mich-Nicht-An, willst Du nun bei mir pennen oder was ?" erwiderte Rayanne aggressiv.

Ratlos blickte Angela umher. "Okay, ja." murmelte sie schliesslich. Was sollte sie auch anderes tun ? Sie wollte nicht weiter durch die Stadt irren.

* * *

Sie blickte an die Decke des Zimmers. Gott, wie sie dieses Muster hasste. Es machte sie vollkommen irre. Wer hier auch immer vorher gewohnt hatte, er (oder sie) musste einen geschmacklichen Vollschaden gehabt haben.

Mürrisch warf Amy sich in dem Bett auf die Seite und wurde zum Dank mit einem lauten Krachen aus den Niederungen des Bettes und dem Blick auf eine nackte Regips-Wand belohnt. Na toll.

Hier fehlten Bilder. Vorhin hing hier noch ein Bild von Brian, doch das erste was sie getan hatte, war es in den Müll zu werfen. Dabei hatte sie diesmal gedacht, er wäre der Richtige. Der einzig wahre. Doch er war es nicht. "Sie sind alle Schweine" sagte sich in Gedanken selbst und rollte vorsichtig auf die andere Seite, damit der Lärm dieses baufälligen Bettes niemanden aufweckte.

Billy lag in seinem Bettchen und schlief endlich friedlich. Heute abend war es wieder ein ziemlicher Kampf gewesen. Er wollte einfach nicht einsehen, dass 23 Uhr einfach zu spät war zum Schlafengehen. Naja, mit 5 Jahren war sie vermutlich auch nicht gerade sehr versessen auf Früh-Schlafen-Gehen gewesen.

Sie hörte, wie sich leise die Haustür öffnete. War Sean nochmal fortgegangen? Er hatte sie zusammen mit Dylan lange getröstet - sie war so froh, daß sie Brüder hatte. Aber Mutter's Nachtschicht dürfte eigentlich noch nicht zu Ende sein.

Umso erstaunter war Amy, als sich kurz darauf die Zimmertür öffnete und ihre Mutter hereinkam. Amy war zu niedergeschlagen zum Reden, also schloss sie schnell die Augen und stellte sich schlafend.

Ms. Miller-O'Hearn beugte sich erst über das Bettchen des Fünfjährigen und zupfte leicht an dem Deckchen - das war eigentlich nicht nötig, Amy hatte wie immer pedantisch darauf geachtet, daß Billy sorgsam zugedeckt war.

Dann kam sie zu ihr ans Bett herüber und kniete sich neben sie. Amy spürte, wie ihre Hand durch ihr Haar strich.

"Wir schaffen das." hörte sie ihre Mutter leise flüstern. Sie hatte wieder geweint. Amy's Herz raste. Sie wollte nicht, daß ihre Mutter traurig war, aber sie konnte jetzt nicht reden. Nicht heute abend. Seitdem sie Dad verlassen hatten, war soviel kaputt gegangen.

So sass sie wohl fast 10 Minuten neben ihr, und allmählich wurden beide wieder ruhiger.

Amy hörte noch, wie ihre Mutter die Tür zum Schlafzimmer von Liam und Dylan öffnete, bevor sie endlich einschlief.

* * *

Irgendetwas piepste. Patty schrak auf und ging zur Mikrowelle. Sie holte mehrere kleine Tiefkühlmuffins aus dem Gerät und warf sie recht unsanft in eine kleine Schale, die sie in der anderen Hand hielt. Damit ging sie zurück an den Küchentisch.

"Schönen Guten Morgen." meinte sie sarkastisch zu sich selbst. Einige Augenblicke starrte sie auf den bis auf ihre Autoschlüssel leeren Tisch, dann setzte sie sich wortlos und begann, in einen der Muffins hineinzubeissen.

* * *

Irgendetwas piepste.
Angela schrak auf und schoss mit dem Oberkörper in die Höhe. Diese hastige Bewegung wurde prompt mit einem dumpfen, aber kräftigen "Glong" in D-Moll belohnt.

Rayanne stützte sich lachend auf und blickte von ihrer Matratze hinüber zu einer schlaftrunkenen Angela, die ihr provisorisches Nachtlager am Abend zuvor ausgerechnet unter einem Glocken-Mobilé aufgeschlagen hatte und nun mit den Tücken des recht musikalischen Objekt kämpfte, in welchem sie sich verfangen hatte.

"Wieviel besser kann ein Tag werden, der mit einer hübschen Melodie beginnt. Guten Morgen übrigens." meinte Rayanne und amüsierte sich offensichtlich prächtig. Dann schaltete sie den Alarm des Weckers aus. Er zeigte 7 Uhr an.

"Guten Morgen. Wie -...- wär's mit etwas ... Hilfe ... ?" antwortete Angela und riss im gleichen Moment in einer unabsichtlichen Bewegung das gesamte Mobilé aus seiner Deckenverankerung.

* * *

Irgendetwas piepste.
Brian schrak auf und suchte nach dem Telefon. Er hatte den Klingelton gestern abend auf "Minimal" gestellt, viel mehr als ein schwaches digitales Röcheln brachte das Telefon dann nicht mehr hervor. Er fand es unter einer Ladung Bücher und Pokale, die auf einem Haufen mitten im Zimmer lagen. Eigentlich war sein gesamtes Zimmer eine einzige Anhäufung von wild verstreuten Gebrauchsgegenständen aller Art - eine deutliches Anzeichen seiner unglaublichen Wut, die am Abend zuvor nach einem Ventil gesucht hatte.

Er drückte auf den Call-Knopf um das Gespräch anzunehmen, doch das gab dem eh' schon total ausgepowerten Akku den Rest. Nun war es auch mit dem digitalen Röcheln vorbei. Frustriert warf er den Hörer zur Seite.

* * *

Vorsichtig kam Danielle die Treppe hinunter und ging durch das Wohnzimmer in Richtung Küche. Am Durchgang blieb sie kurz stehen, sie konnte ihre Mutter alleine an dem Küchentisch sitzen sehen. Das gefiel Danielle gar nicht. Sie hatte gehofft, daß sich ihre Eltern wieder vertragen würde, nachdem sie gestern eigentlich nicht sehr lange gestritten hatten.

Es war sogar sehr schnell sehr ruhig geworden, nachdem Ma sie nach oben geschickt hatte, um die Zähne zu putzen. Natürlich hatte sie sich *nicht* die Zähne geputzt, (sie war ja nicht blöd) sondern war nur schnell ins Bad gerannt und hatte die Zahnbürste kurz nass gemacht. Dann war sie wieder zurück an die Treppe geschlichen und hatte versucht, ihre Eltern zu belauschen. Doch da war bereits alles vorüber. Ma hatte nur kurz "Ich wusste es !" gebrüllt und dann hatte es ein lautes Klatsch-Geräusch gegeben, als hätte jemand seine Handflächen gegeneinander geschlagen. Danach war Ma ans Telefon gegangen und hatte mehrere Leute angerufen, während Dad wohl noch an der Tür stand. Danielle hatte wiedermal den Architekten verflucht, der ihr so die Sicht verbaut hatte.

Nachdem Ma fertig telefoniert hatte, war Dad weggefahren und sie war in ihr Zimmer gegangen und hatte sich schlafen gestellt. Dummerweise war sie kurz darauf doch tatsächlich eingeschlafen.

Jetzt war es bereits 7 Uhr morgens und Angela's Zimmer war noch immer leer. "Angela wird ziemlich heftigen Ärger kriegen, wenn Ma und Dad sich wegen ihr so streiten" dachte Danielle und ging möglichst geräuschvoll auf ihre Mutter zu, um sie nicht zu erschrecken. Gar nicht so leich, wenn die Füsse in Wollsocken stecken. Also gähnte sie laut und vernehmlich.

"Morgen Darling." meinte Patty nur kurz und versuchte ihr patentiertes 'Alles-Ok-Lächeln' aufzusetzen. "Schon wach ? Es ist doch erst ... oh, doch schon sieben Uhr. Gut geschlafen ? Ich habe leckere Muffins gemacht, die kannst Du mit in die Schule nehmen ... aber jetzt erst mal ab ins Bad." quasselte Patty drauflos, während das Lächeln geradezu in ihre Mimik eingebrannt schien.

"Schon seltsam, für wie blöd Dich Deine eigenen Eltern halten." dachte Danielle und lächelte falsch zurück. "Mom ?"
"Ja ?"
"Wo ist Dad ?"
Nun war es vorbei mit jeglichem Lächeln. "Er ... er ist schon früh wieder weg. Er sucht Angela." antwortete Patty trocken.
"Was ist mit Angela ?" fragte Danielle. "Ist sie tot ?"
Ziemlich schockiert nahm sie ihre Tochter auf den Schoss. "Darling, Darling, nicht jeder, der kurz mal verschwindet, ist gleich tot. Du schaust viel zu viele Horrorfilme. Alles wird gut, glaub mir !" meinte sie und strich ihrer Tochter ein paar Haare aus dem Gesicht. "Alles wird gut." wiederholte sie und küsste sie auf die Stirn. "Angela wird wieder auftauchen, sie ist nur etwas ... durcheinander. Okay ?" fragte sie sicherheitshalber und schaute Danielle an.

"Okay" antwortete Danielle, obwohl sie eigentlich gar nicht fand, daß nun alles okay war. Aber Ma wollte nun die 'erwachsene' Danielle sehen und sie wollte ihr beweisen, daß sie schon richtig erwachsen und cool war.

"Gut, dann ab ins Bad." meinte Patty und küsste ihrer Tochter nochmals auf den Kopf. "Und wasch Dir die Haare" rief sie ihr noch hinterher, als Danielle schon fast aus der Tür war.

Seufzend wandte sie sich wieder ihrem angebissenen und zusammengefallenen Johannisbeer-Muffin zu, der vor ihr auf dem Tisch lag wie das surrealistische Sinbild ihrer kaputten Ehe.

* * *

"Okay, das gehört vermutlich nicht zu dem ernährungswissenschaftlich streng ausgewogenen und vitaminreichen Frühstück bei Familie Chase, das Du sonst so gewohnt bist, aber was anderes gibt's nicht." eröffnete Rayanne entschuldigend und schob Angela mit fragendem Gesichtausdruck eine geöffnete Schachtel mit chinesischem Essen zu.

"Frühlingsrollen ?" fragte Angela höchst skeptisch und blickte Rayanne fragend und zweifelnd zugleich an.

"Yeah, kapierst Du es nicht ? *FRÜH*-lingsrollen, *FRÜH*-stück. Passt doch. Ist ein Ray-ismus." behauptete Rayanne keck.

"Ray-ismus ?" fragte Angela und nun war klar, woran Angela die ganze Zeit zweifelte. Es hatte etwas mit dem Geisteszustand einer gewissen Freundin zu tun.

Doch Rayanne winkte ab und setzte sich gegenüber Angela an den Tisch.

Einige Zeit lang mampften beide still vor sich, jeder wartete auf den anderen, etwas zu sagen.

Schliesslich platzte es aus Rayanne heraus: "Hör zu, ich will Dich nicht drängen, Du kannst nichts sagen wenn Du willst, aber ich möchte schon gerne wissen, warum wir gestern den Telefonhörer nicht abnehmen und das Türklingeln nicht beantworten durften ..."
"Ich habe meinen Dad erwischt."
"Wobei ? Wie er sich einen der BH's Deiner Mutter ausgeliehen hat ?" mutmasste Rayanne und grinste breit, wobei einige Bambussprossen neugierig aus ihrem linken Mundwinkel hervorlugten.

"Er ... und ... Hallie ... sie haben..." begann Angela hilflos, während sie in ihren Frühlingsröllchen rumstocherte.

"Oh, okay. Hab's gecheckt. Die beiden haben etwas privates Nahkampf-Training der besonderen Art absolviert und Du hast ihre kleine Session gestört -- mein guter Graham,... der Frauenheld." meinte Rayanne spöttisch und hoffte erneut auf ein erstes Lächeln bei ihrer Gegenüber.

"Rayanne !" sagte Angela, doch ihre Empörung klang eher wie ein schwaches Aufbäumen. Sie hatte ja gar nicht so unrecht. "Ich habe mit Jordan Schluss gemacht." fuhr sie fort.

Rayanne nickte nur. Wohlweisslich enthielt sie sich jedes Kommentars zu diesem Thema. Das war absolutes verbotenes Territorium. Naja,... fast. "Hör zu, es tut mir so schrecklich leid, was ich damals getan habe ..." murmelte sie vorsichtig.

"Rayanne. Es ist okay. Ich habe Dir schon lange verziehen. (pause) Lange. Ich wollte es mir bloß nicht eingestehen. Es tut mir leid."

Angela griff über den Tisch nach Rayannes Hand und während beide sich die Hände hielten, blickten sie sich für Sekunden lächelnd in die Augen.

"Ich habe Brian geküsst." eröffnete Angela daraufhin.
"Wuuuuu-*HA* !!" rief Rayanne aus und schoss wie von der Tarantel gestochen von ihrem Platz auf. Ihr Stuhl fegte sogleich mit einem hohem Geräuschpegel über den Boden. "JETZT verstehe ich, warum Du so verstört bist, ... gee whiz, und ich wunderte mich schon, warum Du so total ... Angela ?" Rayanne ging um den Tisch herum und kniete sich neben Angela's Stuhl. "Hey, was ist los, warum fängst Du schon wieder an zu heulen ? Hey, das ist doch alles nicht so schlimm, Dein Dad ist auch nur ein Mensch, und das wird schon wieder, und Brian ... nun, naja, ... so eine schlechte Wahl ist der Kerl doch gar nicht."

Mit tränenenden Augen schaute Angela Rayanne an. "Ich habe ihn vor den Augen seiner neuen Freundin geküsst. Daraufhin hat ihn deren Bruder verprügelt. ... Er hat so schrecklich geblutet, im Gesicht ... aber er sagte nur 'Ich hasse Dich' und ...." Der Rest ihres Satzes ging in Tränen unter.
Langsam nahm Rayanne wieder Angelas Hand und drückte sie fest.

* * *

Gut, lange hatte er das nicht ausgehalten. Zwei Minuten später hob er das Handy wieder auf und trug es zu der Akku-Station. Dort wurde er von einem lustig blinkenden Lämpchen begrüsst. Mit hochgezogenen Augenbrauen drückte Brian den Knopf des Anrufbeantworters.
"Sie haben vier Nachrichten. Erste Nachricht. 12 Uhr 27 " dröhnte es ihm blechernd entgegen.
"Hi hier ist Amy, Hallo Brian, ich wollte Dich nur daran erinnern, daß Sean Dich auch heute wieder von der Schule abholt. Wenn Du diesen Spruch also hörst, bevor wir uns gesehen haben, dann haben wir uns verpasst. Dumm gelaufen. Im anderen Fall macht diese Message eigentlich keinen Sinn. Aber wirklich gar keinen. Ich verplempere nur Deine Zeit. Uh-oh - err, Mrs oder Mister Krakow, falls sie dieses Tape abhören -- äh ich ... ich bin die Freundin von Brian und äh, tut mir leid, daß ich so einen Unsinn hier draufspreche, äh ... ja. Brian: Ich liebe Dich. ". Das übliche Besetztzeichen ertönte, bevor die Maschine zur nächsten Nachricht weiterspulte. Brian blickte versteinert auf das Gerät.

"Zweite Nachricht. 17 Uhr 00 - Hallo Brian-Darling. Hier ist Ma. Wir kommen doch erst am Sonntag morgen heim. Der Kongress wird verlängert. Tut mir leid, daß wir nicht mit zu eurer Schulaufführung kommen können. Aber die Chase's sind bestimmt so nett und nehmen Dich mit. Ich kann Patty anrufen, wenn Du willst. Vergiss bitte nicht im Briefkasten nachzusehen, ob die Buchkritik von Reuben-Mayer schon da ist. Ruf uns an. (pause) Nur wenn Du willst natürlich. Kuss, Ma. Ah, und hast Du Dir schon überlegt, ob Du an Deinem Geburtstag eine Party für Deine Freunde machen willst ?" Brian's Augen öffneten sich weit. Sein Geburtstag. Es war nur noch eine Woche bis dahin. Es hätte der schönste seines Lebens werden können, aber ... Die nächste Nachricht unterbrach seinen Gedankengang.

"Dritte Nachricht. 21 Uhr 47. Hallo Bernice, hier ist Patty. Wir suchen Angela. Sie ist verschwunden. Wenn Du sie siehst, bitte sag ihr, daß sie sofort nach Hause kommen soll. (pause) Brian, bist Du da ?" Er blickte schockiert auf den Anrufbeantworter und beugte sich näher über das Gerät, um die nächste Nachricht genau zu verstehen.

"Vierte Nachricht. 22 Uhr 29. Hier ist wieder Patty. Angela ist noch immer verschwunden. Brian, bitte ruf uns an, egal wie spät es ist !"

* * *

Nun war alles zu spät. Graham verkrampfte seine Finger in das Lenkrad und blickte starr auf die rote Ampel. Fast die ganze Nacht war er durch Pittsburgh gefahren, hatte die Liste von Angela's Freunden und Schulkollegen abgefahren. Er hatte alle Busstationen, alle Bahnhöfe, Krankenhäuser und sogar das Lagerhaus in der Tennessee Avenue abgeklappert. Ohne Erfolg. Er war sogar bis über die Stadtgrenzen hinaus auf den Highway gefahren und hatte überall nach seiner Tochter gesucht, doch ohne auch nur den kleinsten Anhaltspunkt. Graham hoffte, daß sie doch bei einer ihrer Freunde Unterschlupf gefunden hatte.

Diese Rayanne Graff war nicht zu Hause gewesen, und auch einige der "Catalanos", bei denen er geklingelt hatte, hatten ihm nicht aufgemacht. Hinter ihm hupten ein paar Wagen, die Ampel war schon längst auf Grün. Fluchend gab Graham Gas. Er kannte nicht mal die Adresse des Freundes seiner Tochter !! Wie konnte er sich bloss soweit von seiner Tochter entfernen ? Ws war bloss zwischen sie gekommen in den letzten Jahren ? Warum hatte sie kein Vertrauen mehr zu ihm ?

"Du Idiot !" rief er auch schon im gleichen Moment. "Wie kannst Du erwarten, daß sie Dir vertraut, wenn sie mit ansieht, wie Du einer anderen Frau hinterhersteigst ?" fragte er sich selbst und trieb den Wagen zu noch höherer Geschwindigkeit an.

Er würde gleich wieder zu Hause anrufen müssen und nachfragen, ob Angela mittlerweile daheim aufgetaucht war. Das bedeutete, daß er mit Patty spechen musste. Mein Gott, was hatte er bloß getan ? Er liebte seine Frau. Glaubte er zumindest. Was war es gewesen, daß ihn zu dieser Tat hatte hinreissen lassen ? Und es war ja noch nicht einmal das erste Mal gewesen.

Niedergeschlagen steuerte er die nächste Telefonzelle an. Er suchte ein paar Cents zusammen und rief daheim an. Das Gespräch war wie die letzten sechs ziemlich eiskalt und kurz. Nein, Angela war nicht da und Tschüss.

Kurze Zeit darauf sass er wieder im Wagen und fuhr die Main Street entlang. Da war es, sein Restaurant. Hallie's Restaurant. Was sollte er bloß jetzt tun ? Er würde mit Sicherheit ausziehen müssen, vielleicht zu Neil, notfalls konnte er auch im Restaurant ein paar Tage übernachten. Nein, das war keine gute Idee. Er wollte nicht auf Hallie treffen. Er musste sie meiden. Warum hatte er diesen Entschluss nicht schon viele Wochen früher gefasst ? Er hatte doch geahnt, was passieren würde. Er hatte das Unvermeidliche vorhergesehen, aber er hatte es toleriert.
Es geschah ihm vollkommen Recht, daß sein Leben jetzt zerbrechen würde.
Mit aufheulendem Motor raste der Wagen die Main Street weiter. Am Horizont ging allmählich die Wintersonne auf.

* * *

"Was willst Du tun ?" fragte Rayanne und packte die Essensreste zur Seite.
"Keine Ahnung" antwortete Angela und lehnte sich in ihrem Stuhl nachdenklich nach hinten.
"Wir müssen bis um 9 Uhr hier weg sein, dann kommt Amber heim und die würde bestimmt nicht sehr erfreut sein, wenn sie sieht, daß wir *beide* nicht in der Schule sind. Die 'Magen-verknackst'-Ausrede funktioniert da nicht mehr."
"Seit wann tust Du, was Deine Mutter sagt ?"
"Ich gehe einfach nur Konflikten aus dem Weg." meinte Rayanne knapp. "Also: was sollen wir heute vormittag machen ? Du kannst mir beim Textlernen für 'Unsere kleine Stadt' helfen" schlug sie vor.
"Oh, stimmt, die Aufführung ist ja ... " Angela runzelte die Stirn. "... morgen !?"
"Korrekt. Das wurde in den letzten Tagen seltsamerweise immerwieder von Samstag auf Freitag auf Samstag verlegt. Das absolute Chaos, sage ich Dir." meinte Rayanne und schüttelte den Kopf.
"Du trinkst wieder."
"Ich ... Wieso ... Manchmal einen kleinen Schluck. Nicht mehr."
"Rayanne, warum tust Du das bloß ?" fragte Angela eindringlich und wieder begann ihr Kinn unheildrohend zu zittern.
"Ich weiss es nicht." begann Rayanne. "Ich brauche es einfach. Es gibt mir Halt. Niemand sonst gibt mir Halt, weisst Du ?"
"Aber Du hast doch Deine Freunde... Rickie, Tino, Delia ..." zählte Angela auf und nach kurzem Zögern fügte sie hinzu: "... und mich."
"Bis vorhin war ich mir da nicht so sicher." meinte Rayanne kurz. Dann lenkte sie vom Thema ab. "Also: Shopping oder Shopping oder ... hm, Shopping ?? Oder wir überfallen den nächstbesten Kindergarten und klauen uns die 'Best Of Sesame Street' Videosammlung !"

Angela lachte kurz, doch dann wurde sie wieder ernst. "Ich bin heute nicht in der Stimmung für solche Unternehmungen. Wirklich nicht. Ich muss mir erst mal klar darüber werden, was gestern alles passiert ist. Was andere mir angetan haben und ... was ich anderen angetan habe... Und was ich jetzt tun soll."

"Willst Du abhauen ?" fragte Rayanne.
"Abhauen ? Ich ? Ha-ha! Wohin denn ?"
"Keine Ahnung. War nur so'n Gedanke."
Nachdenklich fuhr Angela mit ihrem Zeigefinger das bunte Blumenmuster der Tischauflage nach. "Um ehrlich zu sein, ich habe gestern abend darüber nachgedacht. Und ich war so kurz davor." Sie deutete mit Zeigefinger und Daumen einen sehr kleinen Abstand an. "Wenn auch Du nicht heimgekommen wärst ... Aber ich kann das nicht. Ich bin nicht der Typ dafür. Ich würde mich es nie trauen, ich wüsste ja gar nicht, wie ich das schaffen sollte. Und ob das Leben dadurch viel einfacher werden würde, bezweifle ich auch."

"Hm. Da hast du wohl recht. Vielleicht ist es wirklich besser so. Vernünftiger ist es wohl auf alle Fälle." Rayanne schüttelte grinsend den Kopf. "Ich hasse es, vernünftig zu sein."
"Oh, Gott, ich muss mich bei Brian entschuldigen. Und ich muss mit Amy reden." fiel Angela ein.
"Angelique ! Jetzt spiel nicht wieder die Mutter Theresa vom Dienst."
"Rayanne, ich habe Brian geküsst, obwohl er es nicht wollte." Angela gestikulierte wild in der Luft herum. "Er ist jetzt mit Amy zusammen. Ich weiss nicht, was ich mir dabei gedacht hatte. Er war einfach da. Ich habe ihn benutzt, um mich selbst besser zu fühlen, und habe damit alles kaputt gemacht. Er war schlicht nur eine Ersatzfigur in meinem egoistischen Spiel." meinte sie und blickte starr auf ihre Finger. "Verstehst Du ?"

"Du ahnst gar nicht, *wie* gut ich das verstehe." antwortete Rayanne. "Und Du hast Recht. Ich kann kaum glauben, daß ich das sage, aber Du musst mit Amy und Brian reden."
"Auf welche Schule geht Amy eigentlich ?"
"Keinen blassen Schimmer. Auf die Liberty High mit Sicherheit nicht. Vielleicht auf die Dickenson High. Aber die findest Du dort nie. Da sind über 1500 Schüler."
Das Klingeln des Telefons unterbrach ihr Gespräch.
"Darf ich ... ?" fragte Rayanne vorsichtig.
"Bitte nicht." meinte Angela und blickte Rayanne flehend an, während das Telefon schrill vor sich hinklingelte
"Okay. Aber ich denke, bevor Du mit Amy oder sonst jemandem sprichst, solltest Du Dir erstmal über eine andere Angelegenheit klar werden."
Nachdenklich nickte Angela.

* * *

Er atmete tief durch und drückte den Klingelknopf. Sogleich hörte er im Inneren des Hauses jemanden aufspringen und schon Sekunden später wurde die Tür vor ihm förmlich aufgerissen.

"J-J-Jordan ??" fragte Patty verblüfft, nachdem sie die Tür geöffnet hatte und den jungen Mann sah, der vor ihr stand.

"Eh, Guten Morgen. Eh, Mrs. Chase. Eh..." duckste Jordan etwas irritiert herum.
"Oh mein Gott, weisst *Du* wo Angela ist ??" fragte Patty ihn aufgeregt.
"Eh, nein, Mrs. Chase, eigentlich ... ich wollte fragen, ob ich sie vielleicht mit zur Schule nehmen kann. Ich meine, so als Freunde. Sie ist also ... nicht da ?"
"Nein, sie ist verschwunden. Seit gestern abend. Etwas ... hat sie schockiert."
Jordan blickte sie entsetzt an. "Oh - ja, wir hatten gestern einen kleinen Streit." meinte er vorsichtig.
"Du _auch_ ?" meinte Patty erstaunt und zog ihn regelrecht in die Wohnung.
Dort stand bereits Brian etwas verlegen und überrascht zugleich. "Hi Jordan."
"Hi Brain." antwortete Jordan, auch etwas überrascht über Brians Anwesenheit - und sein blutunterlaufenes und blaues Auge.
"Brian hat uns heute morgen angerufen und erzählt, daß er sich gestern mit Angela gestritten hatte..."
"War _sie_ das ?" fragte Jordan erstaunt und zeigte auf Brians Gesicht.
"Nein, nein, jedenfalls nicht direkt." meinte Brian und betastete vorsichtig sein Auge.

"Das sieht wirklich übel aus, Brian. Und Du bist sicher, daß Du nicht ein paar Eiswürfel willst ?" fragte Patty besorgt.
Brian lehnte dankend ab.
"So, Jordan, jetzt erzähl doch bitte mal, wann und wo Du Angela zuletzt gesehen hast." wandte Patty sich an Jordan und blickte ihn auffordernd an.

Stockend begann er zu erzählen. In kurzen Sätzen berichtete er, wie er und Angela sich am Abend zuvor getrennt hätten und wie er sich später bewusst geworden wäre, daß er sich entschuldigen müsste. Daher wäre er gleich heute morgen zu den Chases gefahren, um Angela noch vor der Schule zu sprechen.

Danach wurden sie von einem Anruf Graham's unterbrochen, den Patty mit einem kurzen Satz abspeiste. Brian und Jordan blickten sich verwundert an.

"Ich denke, ich werde zur Schule fahren. Vielleicht ist da ja jemand." meinte Jordan daraufhin.

Patty blickte ihn mit hochgezogener Augenbraue an.
"Ich meine, vielleicht ist da jemand, der weiss, wo Angela ist." fügte er hinzu und wandte sich dann an Brian. "Willst Du mitfahren ?"

Doch Brian verneinte und deutete auf sein Auge. "Damit sehe ich heute eh nicht viel" meinte er.

* * *

Sie wartete, bis Jordan in seinen Plymouth eingestiegen und davongefahren war. Dann erst ging Angela auf das Haus ihrer Eltern zu. Gerade noch rechtzeitig konnte sie sich hinter einem Busch verstecken, als auch noch Brian aus dem Haus kam und sich von Patty verabschiedete.

Tino hatte sie und Rayanne hierher gefahren und als Angela wiederholt bekräftig hatte, daß sie zuerst mit ihrer Mutter sprechen wollte, hatte Rayanne davon abgesehen, sie weiterhin zu ein paar Shopping-Touren überreden zu wollen. Natürlich würde Rayanne jetzt trotzdem nicht mehr in die Schule gehen, aber das war Angela im Moment ziemlich egal. Sie selbst wollte heute auch nicht mehr in die Schule.

Als die Luft rein war, zog Angela ihren Haustürschlüssel hervor, ging auf die Veranda und öffnete langsam die Haustür.

Wie in Zeitlupe drehte sich Patty herum und sah Angela das Haus betreten. Sie rannte auf sie zu und umarmte ihre Tochter so fest sie nur konnte.

* * *

Endlich nahm jemand den Hörer ab. Nervös spielte Brian mit einem Bleistift und malte wilde Muster in sein Physik-Buch. Ein lautes Klacken ertönte auf der anderen Seite der Leitung, offenbar hatte jemand ernste Probleme damit, den Hörer richtig zu bedienen.

"Miller" ertönte es leise.
"Ein Junge" dachte Brian und tippte auf einen von Amy's jüngeren Brüdern. "Äh.... O'Hearn ... meinte ich ... bin ich." korrigierte sich der Junge auf der anderern Seite, bevor Brian etwas sagen konnte. Aber dieses ganze Namenschaos reichte, um den eh schon höchst-nervösen Brian vorübergehend ziemlich aus dem Konzept zu bringen.

"A-ha. (pause) Eh, ist äh, Amy da ? Äh,... Deine Schwester ? ... Amy O'hearn" fügte er sicherheitshalber noch hinzu. "Moment." war die kurze Antwort, dann hörte Brian nur ein leises Flüstern, so sehr er sein Ohr auch gegen die Muschel presste, er konnte nicht erkennen, ob der Junge mit Amy sprach, geschweige denn ein Wort verstehen. "Nein." hiess es schon nach wenigen Sekunden.

Okay, kein Problem. Damit hatte er gerechnet. Er hatte sich ein kleines Ablaufdiagramm auf seinen Notizblock gezeichnet, um für alle Eventualitäten während dieses höchst heiklen Telefongesprächs gewappnet zu sein. "Äh, schade, gut, eh, ist vielleicht Deine Mutter da ?" fragte er also, exakt nach Plan. Er wollte sich bei Amy's Mutter entschuldigen, vielleicht konnte sie ein gutes Wort für ihn einlegen.

"Ja." lautete die einsilbige Antwort, doch der kleine Kerl sah sich durch diese positive Antwort keineswegs zu weiteren Handlungen veranlasst.

Brian wartete einige Sekunden, bevor er vorsichtig fragte: "Kannst Du sie vielleicht mal an das Telefon rufen ?"

"Nein." lautete die überraschende, wenn auch erwartet kurze Antwort. Brians Ablaufdiagramm musste sich nun plötzlich mit dem gleichen wilden Bleistift-Muster konfrontiert sehen, das vor fünf Minuten auch schon das Kapitel über Newton'sche Gravitationslehre ertragen musste. Brian's Stift raste panikartig über den Block, doch da kam auch schon die Erklärung. "Sie schläft jetzt und ich darf sie nicht wecken, hat sie gesagt." meinte die junge Stimme am anderen Ende der Leitung.

"Okay.... Okay. Kann ich dann mal Deinen Dad sprechen ?". Eigentlich war das eine ziemlich dumme Idee. Mit Amy's Vater über die Beziehung seiner Tochter mit einem wildfremden Teenager zu sprechen, war nicht nur dumm, das war **behämmert** !

Warum fiel ihm das erst jetzt ein ? grübelte er verzweifelt vor sich hin und hätte beinahe die aussergewöhnlich lange Antwort verpasst. "Ich habe keinen Daddy. Daddy ist böse und wir sind weggegangen, damit er nicht mehr böse zu uns sein kann. Ich heisse O'Hearn und wir .."

Irritiert schaute Brian den Hörer einige Sekunden an, als könnte er anhand des Hörers klären, warum der Teilnehmer auf der anderen Seite so abrupt die Verbindung getrennt hatte. Frustiert knallte er den Hörer auf die Akku-Station und starrte mit hochgezogenen Augenbrauen auf seinen Schreibtisch. Newton sah gar nicht gut aus.

* * *

Der Anteil "Zufall" an dem zufälligen Zusammenstoss zwischen Sharon und Wesley war weitaus geringer, als die Wortwahl vermuten lässt. Sharon hatte exakt 27 Minuten warten müssen, bis Wesley endlich die Umkleidekabine verlassen hatte. Und in diesen 27 Minuten hatte sie sich mindestens 54 mal gefragt, was sie eigentlich hier tue. Und 53 mal hatte sie die Antwort vertagt. Beim 54. Mal öffnete sich die Tür des Umkleideraums.
Der Rest war eigentlich Routine. Ein kurzes Anrempeln, ein überraschtes "Ach, Du gehst auch hier schwimmen ?", ein nettes Lächeln und ein unwiderstehliches "Eigentlich schulde ich Dir noch was für die Reparatur des Yearbook-PC's." entschied die Sache eigentlich schon sicher für Sharon. Daraufhin musste frau nur noch die üblichen Höflichkeits-"Ist doch nicht nötig"-floskeln abwehren und schon saß sie zusammen mit Wesley im Schwimmbad Café und schleckte an einem ziemlich grossen Pistazien-Eis.

* * *

Schweigend sassen Graham, Patty, Danielle und Angela am Eßtisch versammelt und assen Pizza. Die Schachteln vom Lieferdienst lagen noch verstreut auf der Ablage hinter Patty's Stuhl. Die Stimmung war extrem drückend.

"Ich halte das nicht mehr aus !" rief Danielle und warf frustiert ihr Besteck hin. "Erst verschwindet Angela, dann kommt sie wieder, bekommt aber keinen Hausarrest, dann reden Ma und Dad kein Wort mehr miteinander und das jetzt schon den ganzen Tag ! Was ist hier los ?"

Patty legte ihr Besteck hin. "Kinder, wir müssen mit euch reden."
"Aha. Wird auch Zeit" grummelte Danielle und versuchte, ihre Angst zu überspielen.
Verzweifelt suchte Patty nach Worten. Graham blickte sie nicht an. Er sah auf die Reste seiner Pizza und vermied jeden Augenkontakt mit seinen Kindern. "Euer Vater wird für eine unbestimmte Zeit nicht mehr hier wohnen." begann Patty schliesslich.

"Wa ?" rief Danielle erschrocken, während Angela Graham mit einem wütendem Blick ansah.
"Euer Vater und ich ... wir verstehen uns zur Zeit nicht ... so gut. Wir werden uns daher für einige Zeit trennen. Aber das wird euch keineswegs betreffen. Ihr könnt euren Vater sehen, wann immer ihr wollt." fuhr Patty fort.

"Warum sagst Du nicht die Wahrheit, Ma ?" fauchte Angela dazwischen. "Dad wollte es mit Hallie treiben und wenn ich nicht durch Zufall aufgetaucht wäre, dann hätte er es auch getan. Ihr seid *soo* falsch. Beide !" rief sie wütend und nun warf auch sie ihr Besteck auf den Teller. Dann stand sie auf und lief die Treppe nach oben.

"Angela ... " begann Patty hilflos und als sie verschwunden war, brüllte sie Graham an "Siehst Du, was Du getan hast ?".

Graham reagierte nicht, er blickte weiterhin stumm auf sein Essen. Dafür brach Danielle nun in Tränen aus, und folgte unter lautem Schluchzen ihrer Schwester.

"Alles zerbricht." murmelte Patty leise und verbarg ihr Gesicht in ihren Händen.

* * *

Jemand klopfte an ihre Zimmertür. "Bleibt draussen, ich will euch nicht sehen!" brüllte Angela und warf sich auf ihr Bett.

Die Tür öffnete sich trotzdem und Danielle kam vorsichtig herein. "Ich bin's" flüsterte sie unter Tränen und wartete auf eine Reaktion ihrer grossen Schwester.

Angela drehte sich um und nahm ihre Schwester in die Arme und drückte sie fest an sich. "Es wird alles gut. Irgendwie. Keine Angst." sagte sie und versuchte ihre eigenen Tränen zurückzuhalten.

"Bist Du Dir sicher ?" fragte Danielle leise weinend.

"Nein." antwortete Angela. Eine einzelne Träne lief langsam über ihr Gesicht.

* * *

24 Stunden später war der grosse Tag der "Unsere kleine Stadt"-Premiere gekommen. Nachdem Graham noch am Freitag abend ein paar Sachen zusammengepackt hatte und zu seinem Bruder Neil gezogen war, hatte Patty eigentlich keinerlei Lust, diese Schulaufführung zu besuchen. Doch sie liess sich von Ihrer Freundin Camille und Angela breitschlagen.

Als dann auch noch Berniece Krakow anrief und fragte, ob sie nicht auch noch Brian mitnehmen könnten, sagte Patty kurzentschlossen zu. Doch kurze Zeit später rief Brian selbst an und meinte, er würde lieber mit den Cherskis fahren. Mit einem verständnisvollen Blick auf Angela gab Patty ihr "Okay".

Patty fuhr den Wagen gerade auf den Liberty High Parkplatz, als auch Andy Cherski den Familienkombi auf einen freien Parkplatz steuerte. Camille und Sharon stiegen als erste aus und begrüssten Patty, Angela und Danielle. Andy Cherski und Brian stiegen erst später aus, als die Frauen bereits einige Meter vorausgegangen waren.

Natürlich hatte Camille ihren Ehemann und Sharon genauesten instruiert, auf gar keinen Fall Fragen nach dem fehlenden Graham zu stellen.

Vorsichtig drehte sich Angela beim Gang in Richtung HighSchool um und suchte den Blickkontakt zu Brian. Doch der unterhielt sich scheinbar innig mit Andy und schien auch nicht nur im Entferntesten an Angela zu denken.

Einige Minuten später betraten sie die grosse Versammlungshalle der Liberty Highschool. Der Vorhang war noch geschlossen, einige hundert Schüler und deren Eltern verteilten sich über den Saal und die davorliegende Aula. Angela entschuldigte sich sogleich bei ihrer Mutter und ging in den backstage- Bereich, um mit Rayanne und den anderen zu reden.

Sie lief einem höchst nervösen Rickie in die Arme. "Oh-mein-Gott ! Du siehst fantastisch aus !" rief er und begrüsste sie. "Das gleiche Kleid hatte ich auch schon beim World Happiness Dance an" meinte Angela abwesend und schaute sich etwas unsicher um. Überall hasteten Schüler in ihren Kostümen umher, oder wurden von im Weg stehenden und vor Stolz strahlenden Eltern daran gehindert. Sie sah Corey noch ein paar Bühnenelemente reparieren, und in all dem Gewühle stand Mr.Katimski ziemlich verloren und konnte nichts anderes tun, als seine Handfläche gegen seine Stirn zu pressen und das chaotische Treiben zu beobachten. "Wo ist Rayanne ?" fragte sie. "Du, ich habe keine Ahnung. Such sie doch. Sie ist bestimmt irgendwo bei den Kleiderstangen da drüben." meinte Rickie und deutete in etwa zwei Richtungen gleichzeitig. Angela nickte ahnungslos. "... äh, ich glaube, Corey braucht mich." meinte er und liess Angela stehen. Kurz darauf schallte aber auch schon ein lautes "RICKIEEEE !" durch die stickige Luft, unverkennbar Delia in Not.

Angela wühlte sich durch die Menschen-, Kostüm- und Ausstattungsmassen und fand Rayanne schliesslich still in einer dunklen Ecke der Bühne sitzen. Sie konnte durch eine Falte im Vorhang auf die Zuschauerränge blicken und sie tat nichts anderes, als durch diese Falte zu starren, während sie in ihren Handflächen ein kleines silbernes Gefäß verkrampft festhielt.

"Tu es nicht." sagte Angela leise und setzte sich neben sie.

Schnell versuchte Rayanne, den Flachmann verschwinden zu lassen. Doch Angela hatte es bereits gesehen.

"Was soll ich nicht tun ?" meinte Rayanne.

"Du weisst ganz genau, was ich meine. Das da." antwortete Angela und zog ihr den Flachmann aus den Händen.

"Ich habe nichts getrunken. Ich brauche ihn nur zum Festhalten. Es ist so schwer. Ich werde versagen.... Schau Dir nur all diese Leute da draussen an. Sie alle werden über Rayanne Graff lachen. Wieso habe ich mich bloss zu dieser Theatersache überreden lassen ?" flüsterte Rayanne verzweifelt.

"Du brauchst keine Angst zu haben. Glaube mir. Wenn das einer schaffen kann, dann Du." sprach Angela ihr zu und umarmte ihre Freundin. "Du schaffst das. Ich werde Dir beistehen. Das weisst Du." flüsterte sie.

"Danke." antwortete Rayanne und schloss die Falte im Vorhang.

* * *

Ratlos und allein sass Brian auf einem Platz im hinteren Bereich des Auditoriums und starrte auf den grossen Vorhang. Hatte sich da in der Ecke nicht etwas bewegt ? Na, war ja auch egal.

Kurz darauf verdunkelte sich auch schon der Saal und Katimski's Stimme hallte durch den Saal. "Ich bitte alle Gäste ihre Plätze einzunehmen, die Aufführung beginnt in wenigen Minuten ... Und könnten bitte alle .. ehh, Eltern den backstage-Bereich verlassen ... bitte ?"

Was wollte er eigentlich hier ? Warum hatte er nicht abgesagt ? Hier neben ihm sollte jetzt Amy sitzen, seine Freundin. "Freundin". Das Wort hallte in seinen Gedanken nach. Grimmig zerknüllte Brian die zweite Eintrittskarte in seiner Hand.

Allmählich begann sich das Auditorium zu füllen. Er sah Delia durch eine Spalte im Vorhang die Zuschauermassen beobachten. Er wandte den Blick ab. Da drüben war Angela. Sie kam gerade aus dem Backstage Bereich hervor und schloss zu Patty und Danielle auf. War ihr eigentlich bewusst, was sie alles in seinem Leben zerstört hatte ? Da war sie, lächelte, als wäre nichts geschehen und amüsierte sich mit ihrer Familie. Und er ? Er saß hier, allein, unnütz und von allen vergessen. Was wollte er eigentlich hier ? fragte er sich zum wiederholten Male. Er stand auf und wollte gehen, als eine mehrköpfige Familie die Plätze neben ihm belegte und ihm so den Weg versperrte. Seufzend liess er sich wieder auf seinen Platz fallen.

Danielle stubste Angela an. "Wo ist Brian ?" fragte sie neugierig.

"Keine Ahnung." erwiderte sie und blickte sich in dem Auditorium um. Leider waren keine Platzkarten verkauft worden, jeder konnte sich also hinsetzen wo man wollte. Schliesslich entdeckte sie ihn. Er sass fast ganz hinten und blickte starr auf die Bühne. Plötzlich drehte er den Kopf und blickte genau in ihre Richtung, als hätte er gespürt, daß sie ihn beobachtete. Für Sekundenbruchteile trafen sich ihre Blicke, dann drehte Brian seinen Kopf sofort wieder weg und blickte demonstrativ auf die andere Seite der Halle.

Mit zusammengekniffenen Lippen blickte auch Angela wieder nach vorne und sah, wie sich der Vorhang hob und die ersten Darsteller unter Applaus die Bühne betraten.

Die Aufführung war ein grosser Erfolg. Rayanne war fantastisch in ihrer Rolle der Emily und bis auf ein paar Ausfälle in der Lichtanlage und ein paar Nebendarstellern, die ihren Text vergassen, war alles perfekt. Die Bühnenbilder wirkten beeindruckend, selbst die Geräusche von Band kamen zur rechten Zeit. Rayanne überstrahlte in ihrer Darstellung alle anderen Schauspieler. Immer wieder während der Aufführung suchte sie den Blickkontakt zu Angela im Publikum und jedesmal, wenn sich ihre Blicke trafen und Angela ihr aufmunternd zulächelte, gewann Rayannes Darstellung an Ausdruckskraft, sie steigerte sich in ihre Rolle hinein, wie es ihr nie zuvor bei einer der Proben gelungen war. Richard Katimski gab vom Rand der Bühne die notwendigen Regieanweisungen und vergass vor lauter Aufregung und Begeisterung sogar zu stottern.

Obwohl hinter der Bühne das absolute Chaos herrschte, wirkte es auf der Bühne ruhig und routiniert. Als hätten die Laiendarsteller in ihrem Leben nie etwas anderes getan, als "Unsere kleine Stadt" zu inszenieren.

Fasziniert und stolz zugleich beobachtete Rickie aus der Technischen Regie, wie Rayanne den Applaus der Zuschauer genoss. Als sie sich verbeugte, schob er den Regler des zentralen Scheinwerfers wieder auf Maximum, so daß Rayanne in gleissendem Licht wie ein Engel auf der Bühne wirkte und die minutenlangen Standing Ovations am Ende des Stückes schienen kein Ende nehmen zu wollen ...

* * *

"Brian."

Er wusste sofort, wessen Stimme das war. In den letzten Jahren hatte er dieser Stimme sein ganzes Leben gewidmet, damals wäre er sogar für sie gestorben, aber nun empfand er gar nichts mehr. Nicht einmal Hass. Da war einfach gar nichts mehr. Angela.

"Kann ich mit Dir reden ?" fragte Angela und stellte sich neben ihn, während er mit einem Becher Cola in der Hand vor dem Eingang der HighSchool stand und hinaus in die Nacht schaute. Im Inneren der Schule tobte die Premierenparty, alle waren ausgelassen und fröhlich - er hatte gleich gemerkt, daß er dort nicht hinpasste.

"Ich weiss nicht, ob Du das kannst." erwiderte er brüsk.

"Brian, bitte. Gib mir eine Chance. Nur noch eine." flehte Angela und blickte ihn an. "Oh Gott, Dein Auge ... ich wusste ja nicht ..." meinte sie und versuchte, seine Stirn zu berühren, doch er schlug ihre Hand fort. "Was willst Du ? Wieviel von meinem Leben willst Du noch zerstören ? Ist es Dir immer noch nicht genug, waren all die Jahre noch nicht genug ??" fragte er und hielt ihre Hand fest. "Du tust mir weh." meinte Angela und verzog das Gesicht. Daraufhin lies er ihre Hand wieder los und starrte wieder wortlos in den Nachthimmel.

"Es tut mir so schrecklich leid. Ich habe soviel kaputt gemacht, das weiss ich nun. Aber es ist einfach so passiert, ich habe nie gewusst, was Du für mich empfindest, bis an jenem Tag, als Du den Brief geschrieben hast." brachte Angela hervor, ihr Kinn begann wieder zu zittern. Brian schwieg weiterhin. "Dieser Brief, dieser wunderbare Brief. Viel zu spät habe ich gesehen, wer dieser Junge von nebenan wirklich ist. Was wirklich in ihm drin ist. Und als ich es endlich sah, wollte ich es nicht wahrhaben. Ich *wollte*, daß Jordan den Brief geschrieben hätte, ich tat alles, um es mir einzureden, doch es gelang mir nicht."

Angela machte eine lange Pause, dann fuhr sie fort. "Aber ich wusste auch, daß ich Dich nicht liebe." Bei diesen Worten trat Brian unruhig von einem Bein auf das andere. "Versteh mich nicht falsch, ich liebe dich, aber eher wie einen Bruder, nein, das klingt so schlimm, ... wie einen guten, einen sehr guten Freund. Und als ich dann Dich und Amy sah, und als ich merkte, wieviel ich Jordan wirklich bedeutete, da kam Panik in mir hoch. Es war einfach zuviel an jenem Abend. In jenem Moment wollte ich einfach, daß alles wieder so wird, wie es früher war. Brian Krakow, der schüchterne Junge von nebenan, der in mich verknallt war. Ich wollte, daß es wieder jemanden gibt, der immer für mich da ist, jemand der ..." Sie brach in Tränen aus und brachte kein Wort mehr hervor.

Noch unruhiger trat Brian auf der Stelle und blickte Angela immer wieder ratlos an. Sie stand neben ihm, versuchte verzweifelt, die Tränen zurückzuhalten, doch es gelang ihr nicht. Brian kämpfte mit sich. Schliesslich brachte er ein paar Worte heraus. "Ich bin für Dich da." flüsterte er leise, ohne sie jedoch anzuschauen.

"Du brauchst das nicht zu sagen. Ich habe das nicht verdient, ich mache immer alles falsch. Ich habe ihr die Karte gegeben, aber sie ist nicht gekommen. Es hat nicht geklappt. Es tut mir so leid." schluchzte sie.

Brian stutzte. "Was hast Du wem gegeben ?" Unter Tränen brachte Angela hervor, was sie am Samstag vormittag geplant hatte. "Ich hatte doch noch die Karte von Jordan. Wir wollten gemeinsam zu dieser Aufführung gehen, aber ... jedenfalls habe ich die Karte bei Amy in den Briefkasten geworfen und habe ihr einen Brief dazugeschrieben und hoffte, daß ich alles hinbiegen könnte, aber sie ist nicht gekommen."

"Du ... hast ... Amy ... einen Brief geschrieben ?"

"Ja, der Schlagzeuger von 'Residue' kannte die Adresse von Dylan."

Still blickte Brian wieder in die dunkle Nacht hinaus. Er bemerkte nicht, wie Angela ihn Minuten später wieder weinend verliess und zurück in die Aula ging.

* * *

Die Stimmung auf der Premierenparty war wirklich fantastisch. Selbst Principal Foster lächelte zufrieden, und wurde Gerüchten zufolge sogar dabei gesehen, wie er über einen Scherz lachte.

Knapp 90 Schüler, Eltern und Lehrer hatten sich versammelt, um den Erfolg der Aufführung von "Unsere Kleine Stadt" zu feiern.

Alle gratulierten Rayanne und ihrer tollen Leistung. Nacheinander schüttelte ihr der gesamte Elternbeirat, Mr. Foster, Mrs. Kryzanowski und viele weitere total fremde Lehrer und Eltern die Hand und lobten ihre imposante Darstellungskraft, bis Rayanne nur noch überwältigt und ungläubig den Kopf schüttelte.

Auch Rickie, Sharon und all die anderen liessen es sich nicht nehmen, sie zu umarmen und zu beglückwünschen. Rayanne fühlte sich wie neugeboren. In einem der wenigen ruhigen Momente nahm sie ihren Flachmann aus der Tasche und warf ihn in einen Mülleimer. Zufrieden betrachtete sie, wie der metallene Behälter zwischen Plastik- und Pappbechern versank.

Als sie sich wieder umwandte, und zurück zu den ausgelassen feiernden Freunden gehen wollte, sah sie einen Mann orientierungslos in Mitten der Masse stehen. Sie erkannte ihn sofort. Wie ein greller Blitz durchströmte es sie. Den Blick auf ihn fixiert, bahnte sie sich einen Weg durch die zahlreichen Menschen, viele wollten ihr noch gratulieren, doch sie schob alle nur achtlos beiseite. Als sie nur noch wenige Meter von dem hoch aufgewachsenen Mann entfernt war, entdeckte er auch sie. Ein unsicheres Lächeln erschien auf seinem Gesicht, dann öffnete er seine Arme und ging Rayanne entgegen. Doch sie blieb stehen und schaute ihn nur fassungslos an. "Dad ??"

* * *

Direktor Foster war begeistert. Stolz führte er den Eltern-Aufsichtsrat durch die Bereiche hinter den Bühnen. "Und die Bühnenbilder haben die Kinder alle selbst entworfen und gabaut. Zum grössten Teil sogar bei freiwilligen ausser-schulischen Treffen." erklärte er und beobachte zufrieden, wie die Eltern begeistert nickten. Er führte die kleine Gruppe weiter durch den Backstage-Bereich. "Und irgendwo müssten auch die einzigartigen Kostüme herumstehen, die eine ..." Abrupt unterbrach er sich, als er plötzlich zwei Menschen erkannte, der beide sehr innig bei den Kostümen zugange waren und sich küssten. Er traute seinen Augen nicht, was er da sah, aber war das nicht ... "Mister Katimski ???" rief er entsetzt.

* * *

Etwas brüsk zog Sharon an Wesley's Hand, doch er hatte jemanden entdeckt, den er unbedingt noch sprechen wollte. "Hey, Rickie, Corey hat mir erzählt, daß Du die technische Regie geleitet hast !" rief er und strahlte Rickie an, während Sharon unruhig neben Wesley auf ihren Zehen wippte.

"Eh, ja." brachte Rickie nur heraus. Er lief bestimmt rot an. Hundertprozentig. Mit Sicherheit war schon rot wie eine Tomate.

"Hey, das war klasse ! Du bist ja richtig gut in solchen technischen Sachen wie es scheint." gratulierte er.

"Ehh, danke." antwortete Tomaten-Rickie und versuchte verzweifelt, den Becher mit Cola, den er in seiner Hand hielt, nicht vor Aufregung zu verschütten.

"Dann wirst Du mit dem Computer ja wohl erst recht keine Probleme haben. Aber davon musst Du mir unbedingt mehr erzählen. Ich wollte auch schon immer mal so eine Licht- und Soundanlage bedienen." meinte Wesley sehr interessiert.

"Naja, so eine richtig komplexe Anlage ist das ja nicht ..." sagte Rickie und betete, daß Wesley ihn jetzt nicht nach mehr Details fragen würde, denn in diesem Moment war sein Hirn wie leergefegt.

"Wessleeeyy ?" murmelte Sharon unruhig und legte ihren Arm um Wesley. Rickie schaute die beiden noch irritierter an.

"Sie hat wohl etws zuviel von dieser seltsamen Bowle getrunken..." meinte Wesley und versuchte, Sharon etwas zu besänftigen.

Doch das nützte nichts. Jetzt lachte sie laut vor sich hin. "Wes, bei ihm musst Du aufpassen ... *sehr* aufpassen" sagte sie, scheinbar deutlich angeheitert.

"Soviel Alkohol kann doch in dieser Bowle nicht drin gewesen sein, oder ?" grinste Wesley und schaute amüsiert zu, wie Sharon versuchte, ein paar Worte zu einem Satz zusammenzubasteln.

Rickie hingegen starrte sie mit aufgerissenen Augen an. Er ahnte übles. Schnell stellte er seine Cola beiseite. Das Unheil nahm seinen Lauf.

"Weisst Du, schon andere haben es versucht, aber **er** will sie alle nicht". Mit dem Zeigefinger deutete sie Rickie auf die Brust, während dieser versuchte, Sharon zum Schweigen zu bringen. Wesley schaute dem Treiben irritiert zu.

"Was meint sie damit ?" meinte er rätselnd.

"Nichts, gar nichts." meinte Rickie und versuchte, ihr seine Hand auf den Mund zu pressen. Doch da war es schon zu spät. Sharon war nun richtig in Fahrt.

"Was ich damit meine, heyyy, das ist doch soooooo klar, Wes-Darling." Nun brüllte sie schon geradezu. Andere Leute auf der Party drehten sich zu den drei herum, Delia starrte entsetzt von der anderen Seite des Raumes herüber.

"Rickie ist nämlich **schwuuul** !" brüllte Sharon und brach in lautes Lachen aus. "Ein totaler Homo !" fügte sie noch hinzu.