The So-called FortsetzungsFanFiction
Teil 18 "Celebration II" von Sascha
AKT 3
"Tino kennt da einen, der hat 'ne Lehre als Elektrotechniker gemacht. Der hat dann den ganzen Technikkram mit dem Tonband und so eingebaut." erklärte Rayanne triumphierend dem verdattert dreinschauenden Brian, der sich an seinem Stuhl festzukrallen schien und sich von dem "Spind-Abenteuer" noch nicht erholt hatte.
Angela, Rickie, Jordan und Rayanne sassen eng gedrängt um Brian's Tisch im Englisch-Klassenraum und beobachteten gespannt sein nachwievor gelb-grünes Gesicht. Katimski war noch nicht aufgetaucht (obwohl es schon vor 10 Minuten geläutet hatte) und daher konzentrierte sich fast die gesamte Aufmerksamkeit der Klasse auf das Geburtstagskind des Tages.
Mit einem noch etwas leeren Blick starrte er Rayanne an. "Du bist doch gar nicht in Katimskis Klasse." meinte er - um wenigstens irgendetwas zu sagen.
"Ja und? Meinst Du, das juckt jemanden. Erzähl lieber, wie's Dir gefallen hat. Die ganzen Bärchies waren übrigens Amy's Idee. Sie ist extra heute morgen noch etwas früher als sonst vorbeigekommen. Ich soll Dir übrigens noch einen schönen Gruss von ihr ausrichten." sprudelte es aus ihr hervor.
"Danke." meinte Brian nur. "Das war echt ... irgendwie ... Wahnsinn."
"Abwarten." sagte Rickie lachend. "Der wahre Wahnsinn kommt erst noch. Heute nachmittag gibt's noch eine kleine Party zu Deinen Ehren."
"Echt?"
"Sicher doch." ergänzte Angela. "Wo machen wir es jetzt eigentlich? Geht das mit dem Krankenhaus klar?" fragte sie in die Runde.
"Null problemo." meinte Rayanne. Wenn wir zur Besuchszeit kommen, dürfen sie nichts dagegen haben."
"Krankenhaus?" fragte Brian irritiert.
"Jepp, wir wollen doch, dass Sharon mitfeiern kann." meinte Rickie "Alles Gute zum Geburtstag!" fügte er dann noch hinzu und klopfte ihm kräftig auf die Schulter.
Allmählich konnte Brian wieder lächeln. Er schwor sich gerade, nie wieder einen Spind zu öffnen, als Mr Katimski hektisch und ausser Atem in den Klassenraum stürmte.
"Tut ... Tut ... mir ... leid... dass ich so.... spät" meinte er mit noch längeren Sprechpausen als üblich. "... komme. Aber es gab da noch ein paar Dinge ... zu klären." fügte er hinzu und rang nach Luft.
Rickie sah ihn fragend an, doch Katimski wich seinem Blick aus. "Es wird vielleicht ... in Zukunft ... ein paar Unregelmässigkeiten ... geben." schnaufte er. Danach machte er eine längere Pause, als überlege er, ob er noch mehr sagen solle.
Schliesslich öffnete er ruckartig seine Tasche und zog den Gedichtband heraus. "So, wer hat die Hausaufgaben gemacht und kann mir den Inhalt von 'Ode an die Pfeffermühle' wiedergeben? Was will der Autor?" fragte er und blickte auf eine Klasse voll gesenkter Köpfe - nur Rayanne schaute ihn kaugummikauend an.
* * *
Vier Stunden später. Der Nachmittagsunterricht für die höheren Klassen hatte bereits vor wenigen Minuten beginnen.
Hektisch stürmte Rayanne durch die Gänge der Schule und stiess die Tür zum Vorraum des Gemeinschaftsraums auf.
"Vorsicht!" rief Delia ihr entgegen. "Ich hab schon 'ne halbe Stunde gebraucht, damit sie so sortiert sind!!" rief sie und beäugte die in meheren Reihen vor ihr ausliegenden Papierreihen. Sie kniete auf dem Boden und hatte noch einen grossen Stapel Papier neben ihr liegen.
"Bin zu spät, sorry. Wo sind die anderen? Was ist *das*?" fragte Rayanne während sie gleichzeitig heftig Luft in ihre Lungen einsog.
"Das sind die Kopien der Vorlagen für die nächste Ausgabe der Schulzeitung. Hier ist genügend Platz, um alle nebeneinander hinzulegen. ... Aber was machst du denn hier?" fragte Delia überrascht.
"Wie, was soll ich schon hier machen? Zur Theaterbesprechung bin ich hier."
"Welche Besprechung?"
"Na, die ... die Besprechung für das neue Stück. Warum sind die anderen nicht hier?"
"Rayanne, alles in Ordnung?" fragte Delia beunruhigt und stand auf.
"Ja, sicher, es wäre alles paletti, wenn du endlich rausrücken würdest, wo die Besprechung stattfindet!" erwiderte Rayanne ungeduldig.
"Rayanne, es gibt keine Besprechung! Es gibt doch dieses Semester noch nicht einmal eine Theater AG! Foster hat doch die Finanzmittel gestrichen, und er will doch Katimski feuern!" erklärte Delia irritiert.
"Häh? Katimski hat doch neulich angekündigt, dass 'Hamlet' aufgeführt werden soll!"
"Hamlet? Katimski!? ... Rayanne, was erzählst du denn da? Hamlet wäre doch viel zu schwierig für eine High-School Theater AG. Das hätte Katimski nie behauptet. Wann soll denn das gewesen sein?"
"Äh ... letzte Woche, am Dienstag ... glaube ich ... letzte Woche halt. Oder so."
"Rayanne, glaub mir, es gibt definitiv keine Theater-AG dieses Semester."
"Keine Theater-AG?" fragte Rayanne leise und irritiert.
"Aber wenn Du schon mal da bist, kannst Du mir helfen, die Kopien zu sortieren." fuhr Delia fort.
"Wie käme ich dazu?" antwortete Rayanne schroff, griff nach ihrer Tasche und stürmte aus dem Vorraum.
Verwirrt schaute Delia auf die zufliegende Tür. Dann schaute sie auf Boden, auf dem alle Kopien durch den beim Schliessen der Tür verursachten Luftwirbel total durcheinanderfegt herumlagen. Sie öffnete den Mund, doch nur ein müdes Seufzen kam hervor.
* * *
Kaum hatte sich die Tür hinter ihr geschlossen, blieb Rayanne erst einmal stehen und blickte orientierungslos den Schulgang hinauf und hinab. Wohin wollte sie eigentlich jetzt?
* * *
"Maximum" murmelte Brian leise mit weit geöffneten Augen, während er irritiert die Anzeige auf dem Ozilloskop ablas. "Warum *Maximum* ??" grummelte er genervt und hieb mit der Faust auf die Tischplatte - viel stärker als beabsichtigt. Alle Messgeräte, Kabel, Blechdosen und Notizblöcke machten daraufhin einen kleinen Hüpfer - als wären sie ebenso erschrocken wie die kleine Gruppe von Schülern, die sich ebenfalls im Physik-Labor aufhielt und ihn nun fragend anblickte.
"Uh, ... oh, sorry, das äh... war ein ... Versehen." stammelte Brian und versuchte sich noch mehr hinter seinen Instrumenten zu verstecken als zuvor.
"Brian, bitte sei sorgsam mit dem ... dem Schuleigentum." ermahnte ihn Frau Despotovich und blickte nun schon zum wiederholten Male an diesem Tage etwas ratlos auf die zahlreichen Geräte, die Brian um sich herum getürmt hatte. Könnte das ein Ozillio--dingsda sein ? Sie versuchte sich an die Physik-Unterrichtseinheiten aus ihrer Jugend zu erinnern, doch schnell wandte sie sich wieder der Korrektur der Englisch-Tests zu.
Brian nickte, ohne der Lehraufsicht auch nur einen Blick zu würdigen. Grübelnd drehte er an mehreren Knöpfen, verglich Einstellungen mit seinen Notizen. Schliesslich fand er den Fehler. Er hatte zwei Widerstände parallel statt seriell geschaltet. Kein Wunder, daß der Messstrom da voll durchschlug. Anfängerfehler. Zweite Klasse. Brian stöhnte leise und stand auf. Quietschend schob sich dabei sein Stuhl über den Fliesenboden. Wieder erntete er genervte Blicke.
"Ich gehe nur mal ... (Wohin wollte er eigentlich ? Er wollte sich eigentlich nur die Beine vertreten.) ... auf's Klo."
"Ist in Ordnung, Brian." meinte die Despotovich kurz. Brian's empfindlicher Magen galt im Kollegium bereits als sprichwörtlich.
Auf dem Weg zum Jungenklo begegnete er keiner Seele. Um diese Zeit verbrachte kein vernünftiger Schüler mehr freiwillig Zeit in der Schule. Typisch, daß *er* zusammen mit einer Gruppe Nachsitzern seinen öden Spät-Nachmittag hier für einen Extra-Credit verbrachte. An seinem Geburtstag. Extra wegen ihm waren sie sogar von der Bibliothek in das Physik-Labor umgezogen. Vor einem Jahr hätte ihn das sogar etwas stolz gemacht. Aber seit ein paar Monaten hatte sich seine Perspektive auf sein Leben gründlich geändert. Alles dank Amy.
Das Wasser half auch nichts. Mit tropfendem Gesicht stand er vor dem Spiegel und starrte in sein Spiegelbild. "So sieht man also mit sechzehn aus." murmelte er vor sich hin.
Ihm fiel wieder seine letzte Party zum 15.Geburtstag ein. Naja, unter einer Party verstand man gemeinhin wohl etwas anderes als Kuchen und Kaffee mit Verwandten. Es war ein wirklich furchtbarer Geburtstag gewesen, die Chases waren zwar wie jedes Jahr auch dagewesen, aber zum ersten Mal sah man Angela richtig an, wie gelangweilt sie war. Sie hatte ihre Eltern schliesslich auch dazu gedrängelt, endlich zu gehen - angeblich war sie müde gewesen. Ha. Damals hatte er zum ersten Mal gespürt, dass sich einiges verändert hatte.
Nachdenklich schlenderte er wieder zurück zum Physik-Saal.
* * *
Angela ahnte gleich, dass etwas nicht in Ordnung war, als sie Sean auf seinem Pickup warten sah. Er hatte sie in den letzten Wochen öfters zur Schule gebracht, oder auch wieder abgeholt, aber immer war entweder Amy oder Brian noch dabei gewesen. Ausserdem lächelte er etwas gezwungen, als er sie auf sich zukommen sah.
"Hi." meinte er und küsste sie kurz.
"Hi." grüsste sie zurück und wollte ihn umarmen, doch er wich zurück. Er bemerkte, dass das etwas zu abrupt gewesen war, daher fügte er schnell hinzu: "Ich muss los. Ich hab Amy schon abgeholt und nach Hause gebracht, danach muss ich noch was für Dylan einkaufen..."
"Ist irgendwas?" fragte Angela irritiert.
"Nein. ... ich meine, was sollte sein?" fragte Sean mit gespielter Überraschung.
"Sean, du bist so seltsam" meinte Angela.
"Ich bin nicht seltsam. Steig ein, wir müssen los." sagte er schliesslich.
Schweigend stieg sie ein und ebenso schweigend verbrachten sie den Grossteil der Fahrt. Es schien immer wieder so, als würde Sean ansetzen, etwas zu sagen, doch er überlegte es sich immmer wieder anders.
Sie waren schon vor Angela's Haus angekommen, als Angela schliesslich das Wort ergriff. "Wann holst du mich nachher ab?" fragte sie.
"Nachher?" fragte er überrascht zurück.
"Na, für Brian's Geburtstag. Wir müssen noch ein Geschenk kaufen."
"Ach so. Ja, stimmt. Brian. Das Geschenk." Er machte ein längere Pause. "Angela. Ich glaube, wir müssen reden."
"Du willst Schluss machen. Richtig?" meinte sie knapp, plötzlich den Tränen nahe. Genau diese Worte hatte sie erwartet. Sie wusste, was dieser Ton bedeutete. Dazu hatte sie genügend billige TV-Movies gesehen, um zu wissen, was nun kam.
"Nein, nein ... ich will nicht .. ich meine nur ... wir sollten ..."
"Warum?" meinte Angela leise.
"Hörzu, ich mag dich wirklich *sehr*, *sehr* gerne - und du bist wirklich das fantastischste Mädchen, die ich je getroffen habe, aber ..."
"Was .. aber?"
"Nichts aber." stotterte er. "Es ist einfach ... wir sind zu unterschiedlich."
"Was ist es?" begann Angela zu weinen. "War ich nicht gut genug, ist es das? Bin ich nicht sexy? Sind dir meine Brüste zu..."
Sean unterbrach sie erschrocken. "Nein, nein, um Gottes Willen, nein Angela. Du bist perfekt." Er nahm seine schluchzende Freundin in den Arm. "Es ist nur, du bist erst fünfzehn. Fünfzehn! So alt ist meine kleine Schwester! Und ich bin schon über zwanzig!" Er wischte ihr eine Träne aus dem Gesicht.
"Es ist, als würde ich mit meiner eigenen.... weisst du, wenn du wenigstens schon sechzehn wärst..."
"Aber ich werde doch bald sechzehn! Nur noch zwei Monate!!" jammerte sie verzweifelt.
"Angela." meinte er ruhig. "Es geht nicht. Ich kann das nicht. Tut mir--"
Abrupt riss sich Angela aus seiner Umarmung. Sie schnappte sich ihre Tasche, fiel geradezu aus dem Wagen und rannte über den Rasen auf die Eingangstür zu, ohne Sean noch mal einen Blick zuzuwerfen.
Zurück blieb Sean, mit nachdenklicher Miene blickte er Angela hinterher, wie sie im Haus verschwand. Zusammengesunken blieb er einige Minuten hinter dem Steuer sitzen, bis er sich schliesslich zur offenstehenden Beifahrer-Tür beugte und sie ruckartig schloss. Dann drehte er den Schlüssel im Zündschloss und mit einem lauten Brüllen raste der Wagen davon.
* * *
Stunden später.
Nervös blickte Brian aus dem Fenster auf die Krakow'sche Einfahrt. Da stand der Wagen. Wie schon seit Anfang des Jahres. Ein Honda Civic Baujahr 1987 in dezentem beige. Wie oft hatte er schon hinter dem Steuer gesessen, immer in der Erwartung auf den Tag, an dem er alleine rückwärts aus der Ausfahrt fahren würde und dann die Strasse hinunter ...
Und heute war der grosse Tag endlich da. Seit 37 Minuten hatte er endlich diese kleine Plastikkarte mit dem grausamen Photo und der netten auf fünf Jahre befristete Erlaubnis des Staates Pennsylvania, ein Personenfahrzeug steuern zu dürfen. Er hatte sich extra etwas früher von der Sonder-Unterrichts- stunde mit Mrs Despotovich und seinen Physik-Experimenten abgesetzt, um die Karte abholen zu können.
Die Fahrprüfung hatte er schon vor Wochen abgelegt, nachdem er vor allem mit Angela's Vater einige Fahrstunden absolviert hatte. Aber seitdem hatte er sich keinen einzigen Meter mehr mit dem Wagen bewegt - würde seine Mutter ihn nicht desöftern zum Einkaufen benutzen, wäre die Karre wohl in der Einfahrt verrottet.
Aber das war nun alles irrelevant.
In der einen Hand den Fahrzeugschlüssel, in der anderen Hand den Führerschein stalkte Brian auf den Honda zu als handele sich es dabei um ein extraterrestrisches Flugobjekt, und Brian habe die wichtige Aufgabe, den Planeten zu retten, indem er die Funktionsweise dieses Gerätes entschlüsselt.
* * *
Vorsichtig fuhr er an die Strassenkreuzung. Angespannt und mit zusammengekniffenen Lippen beobachtete er den kreuzenden Verkehr. Sein Blick strich über die andere Strassenseite. War das nicht---?
Doch, definitiv. Dort stand Angela mit Jordan vor diesem Buchgeschäft... Moment ... hielt sie etwa seine Hand!? Brians Augen weiteten sich. Gebannt blickte er auf das Paar. Heftiges Hupen hinter ihm brachte ihn wieder in die Realität zurück. Erschrocken trat Brian aufs Gas und ... würgte prompt den Wagen ab.
"Shit ... shit ... shit ..." fluchte er vor sich hin, während er den Schlüssel im Zündschloss drehte und wieder losfuhr.
"Das da sieht gut aus." meinte Jordan vorsichtig und zeigte auf ein Buch in der Auslage von Barnes And Nobles. Angela zog die Augenbrauen hoch. "Jordan ... man beurteilt ein Buch eigentlich nicht primär nach dem Bild auf Cover. Ich glaube nicht, dass Brian sich für Titel wie ... 'Ein schöner Body dank Aloe Vera' interessiert."
"Uh. Richtig." murmelte Jordan und versuchte, einen schwachen "Wusste-ich-doch"-Tonfall in diese wenigen Worte unterzubringen. Eine unangenehme Pause entstand. Schweigend standen sie vor dem Schaufenster und musterten die wenigen Pappaufsteller, die auf die aktuelle Besteller-Liste und den neusten Arthur C. Clarke-Roman aufmerksam machten.
"Gespräche mit Jordan fühlen sich immer an, als würde man barfuss durch ein Fass halbeingetrockneten Ahornsirup laufen." dachte Angela. "Es ist zäh und man kommt kaum vorwärts."
"Wie in dem Song." unterbrach er plötzlich ihren Gedankengang.
"Huh?" antwortete Angela überrascht und blickte ihn an.
"Na, 'if you judge a book by the cover ...' oder so. Ist 'ne Textzeile." meinte er. "Von so 'nem Song." fügte er sicherheitshalber nochmal hinzu, während er scheinbar interessiert ein Buch mit einem bunten Umschlag musterte.
"Ah." meinte Angela kurz und wandte sich wieder dem Schaufenster zu.
Wieder lange Ewigkeiten des kollektiven Schweigens vor der Barnes and Nobles-Auslage, einzig unterbrochen durch den überraschten Räusperer von Jordan, als er merkte, dass er die ganze Zeit die Neuerscheinungen im Bereich der Frauenkosmetik gemustert hatte.
"Wollen wir?" fragte sie schliesslich.
"Uh?"
Mit einem soften und doch zwingenden Lächeln zeigte Angela in Richtung Eingangstür. "Reingehen?" fügte sie hinzu, nahm Jordan's Hand und zog ihn hinter sich her.
"Uh. Ah! Jau." meinte er und verdrängte wieder seine Grübeleien über die weibliche Schönheitspflege.
* * *
"Das hier klingt gut. 'Die faszinierende Welt der Astronomie'. Brian ist doch so ein Astronomiefan. Er hat, glaube ich, auch ein Teleskop in seinem Zimmer stehen."
"H-hm." meinte Jordan und beäugte kritisch die Rücken der Bücher in den Regalen. "Ist das so ein grosses Fernrohr?"
"Ja."
"H-hm." wiederholte Jordan, ohne die Bücher aus den Augen zu lassen. Es schien, als fürchte er jeden Moment den Angriff der Körperfresser aus Richtung der Buchregale.
"Er wohnt im Haus direkt neben Dir?" fragte er schliesslich.
"Ja, weisst Du doch." murmelte Angela, während sie das Buch durchblätterte. "Warum?"
Jordan wippte auf seinen Füssen auf und ab. "Uh, nur ... so." meinte er, was sich fast wie der Entschluss anhörte, mal bei Gelegenheit einen Blick durch Brian's Fernrohr zu werfen.
Mit aufgerissenen Augen schlug Angela das Buch zu. "Du hast Recht, ist vielleicht doch nicht so das richtige." meinte sie schnell und ging weiter in Richtung Mathematik/Computer.
Doch auch dort wollte sich kein gutes Geschenk finden lassen. Während Angela verzweifelt durch zahllose Bücher blätterte und versuchte, zumindest die Klappentexte zu verstehen, stierte Jordan lustlos in der Gegend herum und widmete mehr Interesse der junge Verkäuferin an der Kasse. "Hör zu, Jordan, als wir sagten, dass wir gemeinsam ein Geschenk für Brian aussuchen, bin ich eigentlich davon ausgegangen, dass etwas mehr Betonung auf "gemeinsam" liegt. Schliesslich hast _du_ mich angerufen." Sie erzählte ihm absichtlich nicht, dass Sean mit ihr Schluss gemacht hatte. Und sie erzählte ihm auch wohlweisslich nicht, in welcher miesen Stimmung sie sich befunden hatte, als vor einer halben Stunde das Telefon geklingelt hatte und Patty Angela den Hörer überreichte. Doch als sie am anderen Ende Jordan's Stimme gehört hatte, war alles wie weggeblasen - plötzlich war Sean nur noch ein kleiner, unwichtiger Punkt irgendwo in ihrem Leben.
"Wieso? Ich hab uns doch hergefahren. Diese Bücher ... das ist nicht mein .. Ding." meinte Jordan und riss sie aus ihren Gedanken. "Du kannst das besser." fügte er schnell hinzu und bevor Angela etwas erwidern konnte, wandte er sich ab und steuerte auf die Musik-Abteilung zu.
Angela blickte ihm ratlos hinterher. Schliesslich trotte sie ihm dann doch hinterher und sah ihn interessiert bei den Gitarrenbüchern stehen.
"Cool, die Lyrics zu allen STP-Songs." meinte Angela und deutete auf ein kleines Büchlein.
"Stone Temple Pilots? *Du* stehst auf die Stone Temple Pilots??" fragte Jordan ungläubig und starrte sie entgeistert an, als hätte er einen vollkommen neuen unbekannten Menschen neben sich stehen.
"Ja, sicher." meinte sie. "Ich hab die erste CD von denen. Echt toll." erzählte sie etwas abwesend und bemerkte gar nicht, wie fasziniert Jordan sie plötzlich ansah.
"Ich kann einen Song von STP spielen." meinte Jordan.
"Echt?" meinte Angela und blickte ihn freudig an.
"Jepp. Interstate Love Song oder wie der Song hiess." Er sah sich um. Drei Akustikgitarren standen verloren auf einem Sonderangebotsposten. Offenbar verkaufte der Buchladen wirklich jeden Krempel. Jordan griff sich eine und spielte ein paar Noten von dem Lied, bis er einige kritische Blicke von einer Verkäuferin erntete.
"Das wäre doch ein cooles Geschenk." meinte er schliesslich.
"Huh?" fragte Angela irritiert.
"Für Brian. Er ist doch auch im Schulorchester, oder?"
"Jepp. Er spielt glaube ich Klarinette und Saxophon oder so."
Jordan rümpfte die Nase. "Damit wird er nie eine..." begann er, doch dann beendete er abrupt den Satz. "So eine Gitarre ist doch viel cooler." versuchte er Angela zu überzeugen.
Nachdenklich starrte Angela auf die Gitarre. Sie war wirklich recht günstig. $40, das bedeutete $20 für jeden - das lag gerade noch so in ihrem Budget. Und sie hasste es wirklich, wenn sie im Sommer bei offenen Fenster die quietschenden Saxophon-Töne aus Brian's Haus hörte. So schlimm konnte eine Gitarre ja wohl nicht klingen.
Jordan probierte noch ein paar Akkorde aus. "Ich kann sie auch gerade noch stimmen. Der Klang ist soweit in Ordnung."
Sie sah auf ihre Uhr. Nur noch wenig Zeit. Jordan blickte sie fragend an. Schliesslich nickte sie. "Okay. Wir nehmen sie." meinte sie.
"Gut." freute sich Jordan - wohl einerseits über die Tatsache, dass sie ein Geschenk hatten und andererseits darüber, dass er endlich aus díesem Buchladen herauskam.
Gemeinsam steuerten sie die Kasse an und die Kassierin begann den Preis der Gitarre einzutippen.
"Look of Love."
"Wa?" stutzte Angela und auch die Kassiererin blickte kurz fragend auf. Ihr Blick blieb *etwas* länger an Jordan hängen, als vermutlich nötig.
"Der Song. 'judge a book by the cover' und so. Von vorhin. Mir ist es wieder eingefallen. Das ist ABC - "Look of Love" antwortete Jordan und versuchte, das Lied vor sich hin zu summen.
"ABC? Hm, ich bitte Dich, was ist denn das für ein selten-dämlicher Name?" meinte Angela skeptisch und drückte der Kassiererin die Dollar-Scheine in die Hand.
Wenig später verliessen die beiden den Buchladen.
* * *
[[ Anm. d. Autors:
Wenn das jetzt ein Video wäre, dann würde man nun ABC's "Look of Love" im Hintergrund hören, während die Kamera aus reichlich Entfernung beobachtet, wie Angela und Jordan das Geschäft verlassen und vor allem Angela freudig lächelnd neben Jordan herschlendert.
Dann würde die Kamera einen kleinen Spin machen, quer über die Strasse, hinüber auf einen kleinen Parkplatz, auf dem etwas versteckt ein wohlbekannter Wagen steht - und während die Kamera näher kommt, würde man einen gewissen Brian Krakow in dem Wagen erkennen, wie er neugierig das Paar beobachtet.
Und dann würde man einen Fade To Black machen und der Werbeblock könnte beginnen.
Aber das hier ist ja kein Video, sondern nur eine Ansammlung von Buchstaben, also macht jetzt keine Werbe-Pinkelpause, sondern lest weiter! ;-))
]]
* * *
Es war bereits spät am Nachmittag, als Angela endlich zu Hause ankam. Sie hatte eindeutig zuviel Zeit vertrödelt, in einer Stunde begann bereits Brian's Feier und sie hatte noch nicht mal das Geschenk eingepackt. Kurz angebunden düste sie daher an ihrer Mutter vorbei in das obere Stockwerk. Eine kurze, achtlose Begrüssung war alles, was Patty von ihrer Tochter zu hören bekam.
Delia würde gleich vorbeikommen und gemeinsam wollten sie dann die anderen nacheinander einsammeln, um dann zuletzt Brian abzuholen und gemeinsam zum Krankenhaus zu gehen. Also Stress pur. Hoffentlich würden sie eine Fahrgelegenheit finden.
Jordan würde gleich zum Krankenhaus kommen, weil er zuvor angeblich noch Probe hatte, also musste sie wohl oder übel das Geschenk selbst einpacken. Mit hochgezogegen Augenbrauen starrte sie die Gitarre an. Dann blickte sie auf die kleine Rolle Geschenkpapier in ihrer Hand. Wie zur Hölle packte man eine Gitarre ein!?
"MAAAAMA!" brüllte sie in den Flur. Ihre Mutter würde sicherlich wissen, wie das geht. Sie selbst hatte für sowas jetzt keine Geduld.
Sie hatten das Instrument gerade fertig eingepackt, als es an der Tür läutete. Angela rannte sofort los, "Das ist bestimmt Delia" rief sie noch, und öffnete die Tür. Vor ihr standen zwei Männer, in dezenten, aber feinen Anzügen gekleidet. Der eine zeigte ihr eine kleine Karte. "Police Departement Pittsburgh 15217" stand darauf.
"Hallo, junge Dame" meinte der eine Mann freundlich. "Sind deine Eltern da? Wir sind von der Polizei." fügte er noch hinzu und lächelte sie an.
"Ja ... eh, einen Moment bitte." antwortete Angela etwas eingeschüchtert und rief nach ihrer Mutter.
Ihre Gedanken rasten. Wieso, weshalb, warum standen plötzlich Polizisten vor ihrer Tür??
Wenige Augenblicke später sassen die beiden Polizisten mit Patty im Wohnzimmer, während Danielle und Angela versuchten, im Obergeschoss das Gespräch der Erwachsenen zu belauschen.
* * *
Frustriert starrte Jordan auf seine eigne Akustikgitarre. Seit einer Ewigkeit versuchte er nun schon, eine Akkord-Kombination einzuspielen. Kaum hatte er zwei der Noten richtig gegriffen, vergriff er sich an dem nächsten Akkord. Heute klappte auch gar nichts. Selbst zur geplanten Probe war niemand ausser Jordan erschienen.
Er schielte hinüber zu Mike's Gitarren - wie üblich hatte er seine zwei alten E-Gitarren im Proberaum stehen lassen. Mike mochte es zwar nicht, wenn jemand Fremdes an seiner Klampfe und Verstärker 'rumspielte, aber wenn er sein Zeug hier unbeaufsichtig 'rumstehen liess, dann war er wohl selbst schuld. Kurz- entschlossen rappelte sich Jordan auf und schlenderte hinüber zu dem Gitarrenständer, der eigentlich aus nichts weiter als ein paar aneinandergeschraubten Holzlatten bestand.
Er nahm das Instrument auf, kickte mit dem Fuss den kleinen Verstärker an und begann, ein paar Akkorde zu spielen - auf der Suche nach einer neuen Melodie. Doch heute hörte sich irgendwie alles wie "stairway to heaven" an. Auf der anderen Seite wäre Jordan schon ziemlich froh gewesen, wenn er "stairway to heaven" einigermassen fehlerfrei hinbekommen würde.
Also begnügte er sich mit den paar "Red"-Akkorden, die allerdings auf der E-Gitarre etwas seltsam klangen. Nach einigen Minuten war er wieder tief in seinem Hobby versunken, als er Schritte hinter sich hörte. Leicht erschrocken fuhr er herum, fest davon überzeugt, einen stinkwütendenen Mike zu sehen.
Doch vor ihm stand nur eine junge Frau - dunkle, schulterlange Haare, wohl etwa 18 Jahre alt, locker gekleidet mit einem schwarzen Top und einer abgewaschenen Jeans. Jordan hatte sie noch nie gesehen.
"Ist Tino hier?" meinte das Persönchen und blickte sich suchend um.
"Ehm, Nö?" antwortete Jordan, der sich schon längst wieder gefangen hatte und cool und uninteressiert wie eh und je an einem Pfeiler lehnte und sich wieder der Gitarre zuwenden wollte.
"Uh-huh." meinte sie etwas enttäuscht. "Weisst Du vielleicht, wo er sein könnte?" "Er schuldet mir noch 'nen Zwanziger - und gerade jetzt bräuchte ich den ziemlich dringend."
"Tino is' nicht mehr in unserer Band." antwortete Jordan knapp. "Darum hab ich auch keinen Schimmer, wo der sich 'rumtreibt." fügte er schliesslich noch hinzu.
"Shit." kam es zurück. Etwas ratlos blickte sich sich um und schien zu überlegen, wie sie nun an ihre 20 Dollar kommen könnte. Schliesslich fiel ihr Blick durch Zufall wieder auf die E-Gitarre, die Jordan in der Hand hielt. "Hey, das is'n gutes Teil. Hatte ich früher auch mal. Aber ich glaube, ich hatte das etwas kleinere Modell." meinte sie.
Jordan blickte interessiert auf. "Echt?"
"Echt. Darf ich mal?" fragte sie.
"Öhm... jau, warum nicht." meinte er und sandte ein kurzes Stossgebet zum Himmel, dass Mike nicht gerade in den nächsten 5 Minuten zurückkommen möge.
Sie stimmte ein paar Melodien an, doch sie vergriff sich immer wieder aufs Heftigste, so dass sogar Jordan etwas mit der Stirn runzelte.
Doch ihr schien das wenig auszumachen, sie lachte bei jeder Dissonanz laut los und meinte nur, dass sie wohl wirklich einige Jahre nicht mehr geübt hätte. Grinsend gab sie schliesslich das Instrument wieder zurück.
"Ich bin übrigens Carol." meinte sie und streckte Jordan ihre Hand entgegen.
Jordan stellte die E-Gitarre wieder an ihren angestammten Platz und schüttelte Carols Hand. "Hi." meinte er etwas überrascht. Er war es nicht gerade gewohnt, dass sich Leute bei ihm per Handschlag vorstellten.
"Jordan." fügte er dann noch schnell hinzu, nachdem ihn Carol erwartungsvoll angeblickt hatte.
"Ah. Gut, freut mich, Dich kennzulernen, _Jordan_." Sie grinste ihn breit an, bevor sie mit ihrem Anliegen herausrückte. "Hey, Du hast nicht zufällig Lust, mich jetzt auf 'ne Coke einzuladen? Ich hab keinen einzigen cent mehr - dank Tino -, aber einen irren Durst..."
"Sicher, warum nicht." antwortete Jordan kurzentschlossen und kickte den Verstärker wieder aus. "Hey, ich habe sogar noch eine bessere Idee. Ich bin gleich auf einer kleinen Geburtstagsfeier für einen Freund im Krankenhaus eingeladen. Wenn Du willst, kannst du ja mitkommen. Da gibt's bestimmt was zu trinken und die anderen haben garantiert nix dagegen." sprudelte Jordan sehr untypisch wortreich hervor.
"Meinst Du? In ein Krankenhaus?" fragte sie unsicher.
"Sicher. Komm halt mit." meinte er kurzentschlossen und suchte seine Jacke. "Klasse. Und ich fürchtete schon, ich müsste jetzt den Idioten von Tino in der ganzen Stadt suchen" meinte Carol noch, bevor die beiden den Proberaum verliessen und Jordan das Licht löschte.
* * *
Es war eine ziemlich grosse und muntere Truppe, die sich da in Sharon's Zimmer versammelt hatte. Brian, Amy, Angela, Rayanne, Rickie, Delia, Jordan und Carol, alle drängten sich um die wenigen Sitzgelegenheiten. Sie hatten der Stationsschwester erzählen müssen, dass sie Sharon's Geburtstag feiern wollten, ansonsten hätten sie nicht alle in das Zimmer gedurft.
"Das arme Mädel hat Geburtstag? Ja, dann kann man ja mal eine Ausnahme machen." hatte sie lächelnd gesagt und hatte tatsächlich noch eine kleine Kerze auftreiben können, die Sharon prompt ausblasen musste. So kam es, dass Brian Sharon zum Geburtstag gratulierte, obwohl eigentlich er das Geburtstagskind war.
Die ganze Zeit über blickte Angela immer wieder fragend zu Jordan und Carol hinüber, die sich offenbar vieles zu erzählen hatten. Angela hatte Jordan noch nie soviel reden sehen. Jordan hatte Carol als "gute Bekannte" vorgestellt und die anderen waren damit einverstanden, dass sie mit zu Sharon kam. Die beiden machten aber keinerlei Anzeichen, die darauf hindeuteten, dass sie ein Paar waren, jedenfalls fiel Angela nichts auf. Und sie beobachtete die beiden _sehr_ genau.
Alle warteten verzweifelt darauf, dass die Schwester endlich den Raum verlassen würde, doch sie machte ihnen den Gefallen nicht. Sie habe gerade Pause und es würde den "jungen Leuten" doch sicher nichts ausmachen, wenn sie ihnen etwas Gesellschaft leistete. Ihre Cousine hätte schliesslich heute auch Geburtstag.
Als die Schwester schliesslich fragte, ob sie denn all die hübsch eingepackten Geschenke überreichen würden, blickten sich alle etwas verdattert an.
"Ja sicher. Aber wir haben eine Tradition, dass wir Geschenke immer erst nach dem Geburtszeitpunkt überreichen." meinte Sharon spontan und versuchte ein Grinsen zu vermeiden.
"Genau!" sprang Angela zu ihrer Hilfe. "Uund ... und Sharon ist erst um 19:39 Uhr geboren, also müssen wir noch warten!" meinte sie mit todernstem Gesicht.
"Oooch." meinte daraufhin Rayanne und simulierte höchste Enttäuschung. "Können wir denn nicht mal 'ne Ausnahme machen?" meinte sie und genoss die panischen Blicke ihrer Freunde sichtlich.
"Genau. Machen wir 'ne Ausnahme!" meinte auch Rickie plötzlich aus dem Hintergrund und ging mit einem breiten Grinsen auf Sharon's Bett zu. Er zog die etwas störrische Delia hinter sich her und überreichte Sharon ein kleines Paketchen.
"Das ist von mir und Delia." meinte er und sah dabei Brian an. Auch Sharon grinste Brian an und als er auffordernd zurücknickte, riss sie die Verpackung des Päkchens entzwei. Sie entpackte drei kleine Figuren, offenbar sehr kostspielig und aufwendig in Handarbeit gefertigt. "Wow." meinte Sharon beeindruckt.
"Das sind Puertorikanische Glücksbringer." begann Rickie Brian und Sharon zu erklären. "Sie sollen vor allem eine glückliche Beziehung fördern und stehen für Liebe, Offenheit und Toleranz. Sie machen sich aber auch gut einfach nur als Fensterbrettschmuck." fügte er noch hinzu.
"Wunderschön" staunte auch die Schwester, die sich gerade *noch* ein Stück Kuchen von Graham's Torte geschnappt hatte. "Hast Du denn einen Freund?" fragte sie neugierig.
Sharon verschluckte sich etwas. "Äh ... nein ... eigentlich ... momentan ... nicht."
Sie machte sich gleich an die nächsten Geschenke. Über die Gitarre freute sich Brian sichtlich, er erklärte sich sofort bereit, ein paar Akkorde zu probieren und riss Sharon die Gitarre förmlich aus der Hand.
Jordan zwinkerte Angela beim Anblick von Brian's begeisterten Gesicht triumphierend zu. Selbst Carol hatte noch schnell ein Geschenk besorgt - sie lief knallrot an, als Sharon unter grossem Gelächter die 10er Packung Geschmacks-Kondome entpackte. Brian grinste breit und war sichtlich erleichtert darüber, dass nicht er selbst dieses Geschenk vor den anderen hatte auspacken müssen.
Rayanne war sichtlich enttäuscht, dass sie nicht auf diese Idee gekommen war und "nur" mit einem Spezial-Übergrössen-Kuschel-Pyjama aufwarten konnte, in den zwei Leute gleichzeitig reinpassten. "Falls du mal wieder eine Nacht allein mit jemand anderem in einem grossen, dunklen Gebäude verbringen musst." hatte sie dazu gemeint, mit einem mehrdeutigen Seitenblick in Richtung Brian, der wie erstarrt neben Amy stand.
Schliesslich lag nur noch ein verpacktes Geschenk auf Sharon's Bett und die Stations- schwester konnte es sichtlich kaum erwarten, auch das Auspacken dieses Geschenks nicht zu verpassen.
"Na los, von wem ist denn das?" fragte sie begeistert. "Äh, das wird wohl ... müsste wohl ..." begann Sharon stotternd und wurde plötzlich kreidebleich. "Das Geschenk können wir ja später aufmachen!" rief sie abrupt und versuchte, das Paket unter der Bettdecke zu verstauen.
Doch jetzt wollten auch die anderen nicht mehr aufhören und sehen, wie Sharon ihr eigenes Geschenk aufmacht. Und die Krankenschwester - nun schon bei Kuchenstück Nummer drei - feuerte Sharon energisch an.
Hilflos blickte sich Sharon um und tat so, als bekäme sie die Verpackung nicht auf. Prompt zog Jordan sein Taschenmesser und ritzte das Päckchen auf, so dass Sharon nun wirklich keine Ausrede mehr hatte.
Seufzend öffnete sie das Paket und der Raum begann vor Gelächter zu erbeben, als Sharon einen kleinen Rasierer und mehrere Klingen aus dem Päckchen hervorzauberte. Wie ein begossener Pudel sass sie da und schob den Krempel möglichst schnell ausser Sichtweite.
Es dauerte einige Minuten, bis sich alle von dem Lachanfall erholt hatten.
* * *
Schliesslich hatte die Krankenschwester den Raum dann doch verlassen, da ihr Pieper aktiviert worden war (seltsamerweise genau in dem Moment, als Rayanne mal für "kleine Mädchen" unterwegs war).
Alle gratulierten Brian erneut zum Geburtstag und überreichten ihm nochmals die Geschenke.
Daraufhin begannen sie Sharon zu erzählen, was sich in den letzten Tagen Wichtiges an der Liberty High getan hatte.
Angela deutete zu keinem Zeitpunkt an, dass sie sich gerade vor ein paar Stunden von ihrem Freund getrennt hatte. Sie bemerkte zwar mal einen fragenden Blick von Amy, doch sie reagierte nicht darauf und beobachtete lieber weiterhin Jordan und Carol, die ziemlich dicht beieinander standen.
Nachdenklich blickte Brian auf eine der kleinen Figur, die er von Rickie und Delia geschenkt bekommen hatte.
"Wir haben keine Knabbereien mehr" empörte sich plötzlich Rayanne und wedelte mit einer leeren Schale umher.
"Ich geh welche holen." bot sich Brian an. "Ey, es ist *dein* Geburtstag, da brauchst du dich doch nicht um die Erdnüsse zu kümmern" empörte sich Amy.
"Nein, nein, kein Problem, ich muss sowieso aufs Klo." Brian verliess den Raum und schlenderte langsam den Gang entlang. Er erinnerte sich noch dunkel, dass am Ende des Flurs eine kleiner Warteraum war, in dem ein Getränkeautomat und ein paar Süßigkeitenautomaten standen. Er wusste das noch aus der Zeit, als er von seiner Mutter mindestens einmal im Monat wegen Magenschmerzen ins Krankenhaus gebracht wurde. Ausgerechnet seine Mutter, die Freudianerin wollte einfach nicht einsehen, dass diese Magenschmerzen psychosomatische Ursachen hatten und im Grunde aus der Angst resultierten, wieder ins Krankenhaus zu müssen. Brian grinste leicht, als er sich an das jedesmal genervte Gesicht des Arztes erinnerte, wenn Berniece mal wieder glaubte, dass ihrem armen Sohn nicht geholfen würde.
Er hörte, dass jemand hinter ihm hergelaufen kam und er drehte sich um. Es war Delia, die ihm gefolgt war. Brian bliebt stehen und liess sie zu sich aufschliessen.
"Hi." meinte sie etwas unsicher.
"Ehm, hi."
"Ich ... ich wollte nur ... dir mit ... den Nüssen helfen. Äh, Erdnüssen." stammelte sie sichtlich unbehaglich zurecht.
"Ah. Gut. Danke. Die Automaten sind gleich da vorne."
"Oh. Okay."
Schweigend gingen die beiden auf den Warteraum zu.
Als sie vor den Automaten standen und Brian etwas Kleingeld hervorkramte, begann Delia schliesslich: "Brian, du musst wissen, das was du damals getan hast - was du *mir* damals angetan hast, das war das Schlimmste, was mir jemals jemand ... angetan hat."
"Delia, es tut mir so entsetz..."
"Nein, Brian, du brauchst nichts zu sagen, es ist okay. Ich meine natürlich nicht happy-*okay*, aber ich bin allmählich darüber hinweg. So einigermassen zumindest. Es tut nicht mehr so weh. Und ich kenne Dich jetzt besser und ich habe gemerkt, dass das damals ... , also, ich wollte dir nur sagen, dass ... du weisst schon ... es ist ... okay."
Brian sah sie lange still an. "Danke." sagte er schliesslich und begann zaghaft zu lächeln.
"Ich werde mich zwar bestimmt später dafür verfluchen, aber 'was soll's. Freunde?" fragte Delia und streckte ihm ihre rechte Hand entgegen.
Strahlend schüttelte Brian ihre Hand. "Freunde." bestätigte er.
"Gut. Und nun zur grössten Herausforderung des heutigen Abends: Snickers oder Mars?" grinste Delia und deutete auf den Automaten.
* * *
Es war etwa um viertel nach sieben, als schliesslich die Stationsschwester wieder in Sharon's Zimmer kam und darauf hinwies, dass die Besuchszeit seit gut 15 Minuten vorüber war. Durch eine kleine m&m-"Bestechung" konnte die Gruppe zwar nochmal eine weitere viertel Stunde "erkämpfen", aber schliesslich mussten sie sich wieder von Sharon trennen.
Jordan und Carol trennten sich von den anderen, um angeblich noch nach Tino zu suchen. Angela quitterte das mit einem zweifelnden Blick.
So blieben nur noch Delia, Rickie, Angela, Amy, Brian und Rayanne übrig. Sie entschlossen sich, den Abend bei Brian zu beenden, schliesslich hatte er heute sturmfreie Bude.
"Hey, ich hab 'ne klasse Idee!" meinte Delia während die Gruppe durch den Three Rivers Park am Stadion schlenderten. "Das Let's bolt feiert heute doch den dreijährigen Geburtstag oder so. Da könnten wir doch 'nen Abstecher hin machen. Heute passen die Türwächter bestimmt nicht so gut auf."
"Klasse Idee!" rief Amy und stubste Brian auffordernd an. Der grinste zurück und sein Blick zeigte deutlich, dass er heute Abend für jeden Unsinn bereit war.
"Ich weiss nicht." murmelte Angela vorsichtig und schaute Rayanne und Rickie fragend an. "Wir hatten da mal ziemlich schlechte Erfahrungen gemacht." Sie erinnerte sich nur noch zu gut an die Nacht im letzten Spätsommer, als der Abend damit endete, dass sie von einem Polizisten nach Hause gebracht wurden. Nachdenklich warf sie einen kurzen Seitenblick hinüber zu Brian, der gerade in einen innigen Kuss mit Amy vertieft war. War jener Abend im Let's bolt wirklich erst ein dreiviertel Jahr her? Sie konnte es nicht glauben. Soviel war seitdem passiert - genügend für ein ganzes Jahrzehnt.
Sie schüttelte die Erinnerung an die Vergangenheit ab und bekam gerade noch mit, wie die Gruppe die Entscheidung traf, ins Let's bolt aufzubrechen.
AKT 4
Es war schon spät in der Nacht, oder früh am Morgen, als die Gruppe nach einigen Stunden verrückten Let's bolt-Abenteuern schliesslich in der Krakow'schen Küche sass und an einer grossen Portion halbaufgetauten Eis mit Cookie-Teig-Geschmack futterten, nur Rayanne hatte sich mal wieder eine Flasche Bier aus dem Krakow'schen Kühlschrank gegönnt. "Polnisches Bier" hatte sie missmutig geraunzt, als sie die Flaschen entdeckte, aber im Endeffekt konnte es sie dann doch nicht von einem Geschmackstest abhalten.
Irgendwie kam die Gruppe schliesslich auf das Thema um den Überfall auf Sharon. Alle waren froh, dass es Sharon schon so schnell wieder so gut ging.
"Wirklich schrecklich, wie jemand so etwas tun kann." meinte Delia.
Alle schwiegen wieder und starrten in Gedanken verloren auf den Küchentisch. Eine Kerzenflamme tanzte einsam in der Mitte des Tischs.
"Ich war's." unterbrach Rayanne plötzlich die Stille und klammerte sich an ihrer Flasche polnisches Bier fest.
"Häh!?" fragte Brian überrascht und sprach damit das aus, was alle anderen dachten.
In Rayannes Augen begann sich kleine Seen von Tränen zu bilden. "Jene Nacht ... als ... als, Sharon ..." sie stockte kurz. "... als sie zusammengeschlagen wurde. Oh mein Gott, es tut mir so leid." Sie begann zu schluchzen, die Worte begannen aus ihr herauszubrechen, all die Lügen, die sie so lange zurückgehalten hatte. Die anderen starrten sie nur fassungslos und verständnislos an. "Es tut mir so *schrecklich* leid." wiederholte sie. "Ich habe das nie gewollt ... ich war nicht ich selbst, als das passierte, ich war betrunken, und so wütend wegen Rickie und ... es tut mir so leid, ich würde sterben, wenn es die Sache wieder ungeschehen machen würde."
Abrupt stand Rayanne auf, ihr Stuhl schoss zurück, sie packte die Bierflasche und warf sie mit voller Wucht gegen den Küchenschrank. "Es ist alles nur wegen dem dämlichen Zeug! Deswegen hab ich dich damals betrogen und deshalb hab ich Sharon ... diese unglaubliche Sache angetan!"
"Rayanne, was in Gottes Namen erzählst Du da!?" entfuhr es Angela. "Ich kann es nicht mehr ertragen! Es ist alles zuviel!" Ihre Stimme erstickte vor Tränen.
Schliesslich drehte sie sich um und rannte aus der Küche - Sekunden später hörte man die Haustür zuschlagen. "Was zum Teufel war denn das?" fragte Delia fassungslos.
"Wieso glaubt Rayanne, dass sie Sharon so zugerichtet hat? Oder war sie es etwa wirklich!? Oh mein Gott. Hat deshalb die Polizei heute mit deinen Eltern geredet?" sprudelte es aus Delia hervor. "Nein." sagte Angela leise. Sie machte eine lange Pause, bevor sie weitersprach. "Sie haben den Täter heute gefasst. Er wurde mittels einer DNA-Analyse gefunden und er hat auch schon gestanden. Er hatte sich offensichtlich auch als Ober bei meinem Dad beworben. Damals muss er wohl auch auf Sharon aufmerksam geworden sein. Darum war heute die Polizei bei uns."
Die Gruppe schwieg. Jeder versuchte, sich einen Reim auf das eben Geschehene zu machen. Schliesslich war es Brian, der das Schweigen brach. "Jemand sollte sich um Rayanne kümmern." meinte Brian. "Ja. Ich gehe." sagte Angela und sprang auf.
"Ich auch." meinte Rickie und Delia folgte ihm nickend. Auch Brian stand auf und griff nach seiner Jacke. "Wir sollten alle gehen. Irgendwas ist nicht in Ordnung mit ihr. Irgendwas Ernstes." fügte er hinzu. Schweigend suchte sich die Gruppe Jacken und Mäntel zusammen und einer nach dem anderen verliess den Raum. Zurück blieb die schwach erleuchtete Küche, die Kerze flackerte ruhig vor sich hin. Nach ein paar Sekunden kam Brian wieder zurück und blies die Flamme aus.
Nun erleuchtete nur noch das fade Mondlicht den kleinen Raum.
Still schien es auf die Scherben der zerbrochenen Bierflasche.
"Tino kennt da einen, der hat 'ne Lehre als Elektrotechniker gemacht. Der hat dann den ganzen Technikkram mit dem Tonband und so eingebaut." erklärte Rayanne triumphierend dem verdattert dreinschauenden Brian, der sich an seinem Stuhl festzukrallen schien und sich von dem "Spind-Abenteuer" noch nicht erholt hatte.
Angela, Rickie, Jordan und Rayanne sassen eng gedrängt um Brian's Tisch im Englisch-Klassenraum und beobachteten gespannt sein nachwievor gelb-grünes Gesicht. Katimski war noch nicht aufgetaucht (obwohl es schon vor 10 Minuten geläutet hatte) und daher konzentrierte sich fast die gesamte Aufmerksamkeit der Klasse auf das Geburtstagskind des Tages.
Mit einem noch etwas leeren Blick starrte er Rayanne an. "Du bist doch gar nicht in Katimskis Klasse." meinte er - um wenigstens irgendetwas zu sagen.
"Ja und? Meinst Du, das juckt jemanden. Erzähl lieber, wie's Dir gefallen hat. Die ganzen Bärchies waren übrigens Amy's Idee. Sie ist extra heute morgen noch etwas früher als sonst vorbeigekommen. Ich soll Dir übrigens noch einen schönen Gruss von ihr ausrichten." sprudelte es aus ihr hervor.
"Danke." meinte Brian nur. "Das war echt ... irgendwie ... Wahnsinn."
"Abwarten." sagte Rickie lachend. "Der wahre Wahnsinn kommt erst noch. Heute nachmittag gibt's noch eine kleine Party zu Deinen Ehren."
"Echt?"
"Sicher doch." ergänzte Angela. "Wo machen wir es jetzt eigentlich? Geht das mit dem Krankenhaus klar?" fragte sie in die Runde.
"Null problemo." meinte Rayanne. Wenn wir zur Besuchszeit kommen, dürfen sie nichts dagegen haben."
"Krankenhaus?" fragte Brian irritiert.
"Jepp, wir wollen doch, dass Sharon mitfeiern kann." meinte Rickie "Alles Gute zum Geburtstag!" fügte er dann noch hinzu und klopfte ihm kräftig auf die Schulter.
Allmählich konnte Brian wieder lächeln. Er schwor sich gerade, nie wieder einen Spind zu öffnen, als Mr Katimski hektisch und ausser Atem in den Klassenraum stürmte.
"Tut ... Tut ... mir ... leid... dass ich so.... spät" meinte er mit noch längeren Sprechpausen als üblich. "... komme. Aber es gab da noch ein paar Dinge ... zu klären." fügte er hinzu und rang nach Luft.
Rickie sah ihn fragend an, doch Katimski wich seinem Blick aus. "Es wird vielleicht ... in Zukunft ... ein paar Unregelmässigkeiten ... geben." schnaufte er. Danach machte er eine längere Pause, als überlege er, ob er noch mehr sagen solle.
Schliesslich öffnete er ruckartig seine Tasche und zog den Gedichtband heraus. "So, wer hat die Hausaufgaben gemacht und kann mir den Inhalt von 'Ode an die Pfeffermühle' wiedergeben? Was will der Autor?" fragte er und blickte auf eine Klasse voll gesenkter Köpfe - nur Rayanne schaute ihn kaugummikauend an.
* * *
Vier Stunden später. Der Nachmittagsunterricht für die höheren Klassen hatte bereits vor wenigen Minuten beginnen.
Hektisch stürmte Rayanne durch die Gänge der Schule und stiess die Tür zum Vorraum des Gemeinschaftsraums auf.
"Vorsicht!" rief Delia ihr entgegen. "Ich hab schon 'ne halbe Stunde gebraucht, damit sie so sortiert sind!!" rief sie und beäugte die in meheren Reihen vor ihr ausliegenden Papierreihen. Sie kniete auf dem Boden und hatte noch einen grossen Stapel Papier neben ihr liegen.
"Bin zu spät, sorry. Wo sind die anderen? Was ist *das*?" fragte Rayanne während sie gleichzeitig heftig Luft in ihre Lungen einsog.
"Das sind die Kopien der Vorlagen für die nächste Ausgabe der Schulzeitung. Hier ist genügend Platz, um alle nebeneinander hinzulegen. ... Aber was machst du denn hier?" fragte Delia überrascht.
"Wie, was soll ich schon hier machen? Zur Theaterbesprechung bin ich hier."
"Welche Besprechung?"
"Na, die ... die Besprechung für das neue Stück. Warum sind die anderen nicht hier?"
"Rayanne, alles in Ordnung?" fragte Delia beunruhigt und stand auf.
"Ja, sicher, es wäre alles paletti, wenn du endlich rausrücken würdest, wo die Besprechung stattfindet!" erwiderte Rayanne ungeduldig.
"Rayanne, es gibt keine Besprechung! Es gibt doch dieses Semester noch nicht einmal eine Theater AG! Foster hat doch die Finanzmittel gestrichen, und er will doch Katimski feuern!" erklärte Delia irritiert.
"Häh? Katimski hat doch neulich angekündigt, dass 'Hamlet' aufgeführt werden soll!"
"Hamlet? Katimski!? ... Rayanne, was erzählst du denn da? Hamlet wäre doch viel zu schwierig für eine High-School Theater AG. Das hätte Katimski nie behauptet. Wann soll denn das gewesen sein?"
"Äh ... letzte Woche, am Dienstag ... glaube ich ... letzte Woche halt. Oder so."
"Rayanne, glaub mir, es gibt definitiv keine Theater-AG dieses Semester."
"Keine Theater-AG?" fragte Rayanne leise und irritiert.
"Aber wenn Du schon mal da bist, kannst Du mir helfen, die Kopien zu sortieren." fuhr Delia fort.
"Wie käme ich dazu?" antwortete Rayanne schroff, griff nach ihrer Tasche und stürmte aus dem Vorraum.
Verwirrt schaute Delia auf die zufliegende Tür. Dann schaute sie auf Boden, auf dem alle Kopien durch den beim Schliessen der Tür verursachten Luftwirbel total durcheinanderfegt herumlagen. Sie öffnete den Mund, doch nur ein müdes Seufzen kam hervor.
* * *
Kaum hatte sich die Tür hinter ihr geschlossen, blieb Rayanne erst einmal stehen und blickte orientierungslos den Schulgang hinauf und hinab. Wohin wollte sie eigentlich jetzt?
* * *
"Maximum" murmelte Brian leise mit weit geöffneten Augen, während er irritiert die Anzeige auf dem Ozilloskop ablas. "Warum *Maximum* ??" grummelte er genervt und hieb mit der Faust auf die Tischplatte - viel stärker als beabsichtigt. Alle Messgeräte, Kabel, Blechdosen und Notizblöcke machten daraufhin einen kleinen Hüpfer - als wären sie ebenso erschrocken wie die kleine Gruppe von Schülern, die sich ebenfalls im Physik-Labor aufhielt und ihn nun fragend anblickte.
"Uh, ... oh, sorry, das äh... war ein ... Versehen." stammelte Brian und versuchte sich noch mehr hinter seinen Instrumenten zu verstecken als zuvor.
"Brian, bitte sei sorgsam mit dem ... dem Schuleigentum." ermahnte ihn Frau Despotovich und blickte nun schon zum wiederholten Male an diesem Tage etwas ratlos auf die zahlreichen Geräte, die Brian um sich herum getürmt hatte. Könnte das ein Ozillio--dingsda sein ? Sie versuchte sich an die Physik-Unterrichtseinheiten aus ihrer Jugend zu erinnern, doch schnell wandte sie sich wieder der Korrektur der Englisch-Tests zu.
Brian nickte, ohne der Lehraufsicht auch nur einen Blick zu würdigen. Grübelnd drehte er an mehreren Knöpfen, verglich Einstellungen mit seinen Notizen. Schliesslich fand er den Fehler. Er hatte zwei Widerstände parallel statt seriell geschaltet. Kein Wunder, daß der Messstrom da voll durchschlug. Anfängerfehler. Zweite Klasse. Brian stöhnte leise und stand auf. Quietschend schob sich dabei sein Stuhl über den Fliesenboden. Wieder erntete er genervte Blicke.
"Ich gehe nur mal ... (Wohin wollte er eigentlich ? Er wollte sich eigentlich nur die Beine vertreten.) ... auf's Klo."
"Ist in Ordnung, Brian." meinte die Despotovich kurz. Brian's empfindlicher Magen galt im Kollegium bereits als sprichwörtlich.
Auf dem Weg zum Jungenklo begegnete er keiner Seele. Um diese Zeit verbrachte kein vernünftiger Schüler mehr freiwillig Zeit in der Schule. Typisch, daß *er* zusammen mit einer Gruppe Nachsitzern seinen öden Spät-Nachmittag hier für einen Extra-Credit verbrachte. An seinem Geburtstag. Extra wegen ihm waren sie sogar von der Bibliothek in das Physik-Labor umgezogen. Vor einem Jahr hätte ihn das sogar etwas stolz gemacht. Aber seit ein paar Monaten hatte sich seine Perspektive auf sein Leben gründlich geändert. Alles dank Amy.
Das Wasser half auch nichts. Mit tropfendem Gesicht stand er vor dem Spiegel und starrte in sein Spiegelbild. "So sieht man also mit sechzehn aus." murmelte er vor sich hin.
Ihm fiel wieder seine letzte Party zum 15.Geburtstag ein. Naja, unter einer Party verstand man gemeinhin wohl etwas anderes als Kuchen und Kaffee mit Verwandten. Es war ein wirklich furchtbarer Geburtstag gewesen, die Chases waren zwar wie jedes Jahr auch dagewesen, aber zum ersten Mal sah man Angela richtig an, wie gelangweilt sie war. Sie hatte ihre Eltern schliesslich auch dazu gedrängelt, endlich zu gehen - angeblich war sie müde gewesen. Ha. Damals hatte er zum ersten Mal gespürt, dass sich einiges verändert hatte.
Nachdenklich schlenderte er wieder zurück zum Physik-Saal.
* * *
Angela ahnte gleich, dass etwas nicht in Ordnung war, als sie Sean auf seinem Pickup warten sah. Er hatte sie in den letzten Wochen öfters zur Schule gebracht, oder auch wieder abgeholt, aber immer war entweder Amy oder Brian noch dabei gewesen. Ausserdem lächelte er etwas gezwungen, als er sie auf sich zukommen sah.
"Hi." meinte er und küsste sie kurz.
"Hi." grüsste sie zurück und wollte ihn umarmen, doch er wich zurück. Er bemerkte, dass das etwas zu abrupt gewesen war, daher fügte er schnell hinzu: "Ich muss los. Ich hab Amy schon abgeholt und nach Hause gebracht, danach muss ich noch was für Dylan einkaufen..."
"Ist irgendwas?" fragte Angela irritiert.
"Nein. ... ich meine, was sollte sein?" fragte Sean mit gespielter Überraschung.
"Sean, du bist so seltsam" meinte Angela.
"Ich bin nicht seltsam. Steig ein, wir müssen los." sagte er schliesslich.
Schweigend stieg sie ein und ebenso schweigend verbrachten sie den Grossteil der Fahrt. Es schien immer wieder so, als würde Sean ansetzen, etwas zu sagen, doch er überlegte es sich immmer wieder anders.
Sie waren schon vor Angela's Haus angekommen, als Angela schliesslich das Wort ergriff. "Wann holst du mich nachher ab?" fragte sie.
"Nachher?" fragte er überrascht zurück.
"Na, für Brian's Geburtstag. Wir müssen noch ein Geschenk kaufen."
"Ach so. Ja, stimmt. Brian. Das Geschenk." Er machte ein längere Pause. "Angela. Ich glaube, wir müssen reden."
"Du willst Schluss machen. Richtig?" meinte sie knapp, plötzlich den Tränen nahe. Genau diese Worte hatte sie erwartet. Sie wusste, was dieser Ton bedeutete. Dazu hatte sie genügend billige TV-Movies gesehen, um zu wissen, was nun kam.
"Nein, nein ... ich will nicht .. ich meine nur ... wir sollten ..."
"Warum?" meinte Angela leise.
"Hörzu, ich mag dich wirklich *sehr*, *sehr* gerne - und du bist wirklich das fantastischste Mädchen, die ich je getroffen habe, aber ..."
"Was .. aber?"
"Nichts aber." stotterte er. "Es ist einfach ... wir sind zu unterschiedlich."
"Was ist es?" begann Angela zu weinen. "War ich nicht gut genug, ist es das? Bin ich nicht sexy? Sind dir meine Brüste zu..."
Sean unterbrach sie erschrocken. "Nein, nein, um Gottes Willen, nein Angela. Du bist perfekt." Er nahm seine schluchzende Freundin in den Arm. "Es ist nur, du bist erst fünfzehn. Fünfzehn! So alt ist meine kleine Schwester! Und ich bin schon über zwanzig!" Er wischte ihr eine Träne aus dem Gesicht.
"Es ist, als würde ich mit meiner eigenen.... weisst du, wenn du wenigstens schon sechzehn wärst..."
"Aber ich werde doch bald sechzehn! Nur noch zwei Monate!!" jammerte sie verzweifelt.
"Angela." meinte er ruhig. "Es geht nicht. Ich kann das nicht. Tut mir--"
Abrupt riss sich Angela aus seiner Umarmung. Sie schnappte sich ihre Tasche, fiel geradezu aus dem Wagen und rannte über den Rasen auf die Eingangstür zu, ohne Sean noch mal einen Blick zuzuwerfen.
Zurück blieb Sean, mit nachdenklicher Miene blickte er Angela hinterher, wie sie im Haus verschwand. Zusammengesunken blieb er einige Minuten hinter dem Steuer sitzen, bis er sich schliesslich zur offenstehenden Beifahrer-Tür beugte und sie ruckartig schloss. Dann drehte er den Schlüssel im Zündschloss und mit einem lauten Brüllen raste der Wagen davon.
* * *
Stunden später.
Nervös blickte Brian aus dem Fenster auf die Krakow'sche Einfahrt. Da stand der Wagen. Wie schon seit Anfang des Jahres. Ein Honda Civic Baujahr 1987 in dezentem beige. Wie oft hatte er schon hinter dem Steuer gesessen, immer in der Erwartung auf den Tag, an dem er alleine rückwärts aus der Ausfahrt fahren würde und dann die Strasse hinunter ...
Und heute war der grosse Tag endlich da. Seit 37 Minuten hatte er endlich diese kleine Plastikkarte mit dem grausamen Photo und der netten auf fünf Jahre befristete Erlaubnis des Staates Pennsylvania, ein Personenfahrzeug steuern zu dürfen. Er hatte sich extra etwas früher von der Sonder-Unterrichts- stunde mit Mrs Despotovich und seinen Physik-Experimenten abgesetzt, um die Karte abholen zu können.
Die Fahrprüfung hatte er schon vor Wochen abgelegt, nachdem er vor allem mit Angela's Vater einige Fahrstunden absolviert hatte. Aber seitdem hatte er sich keinen einzigen Meter mehr mit dem Wagen bewegt - würde seine Mutter ihn nicht desöftern zum Einkaufen benutzen, wäre die Karre wohl in der Einfahrt verrottet.
Aber das war nun alles irrelevant.
In der einen Hand den Fahrzeugschlüssel, in der anderen Hand den Führerschein stalkte Brian auf den Honda zu als handele sich es dabei um ein extraterrestrisches Flugobjekt, und Brian habe die wichtige Aufgabe, den Planeten zu retten, indem er die Funktionsweise dieses Gerätes entschlüsselt.
* * *
Vorsichtig fuhr er an die Strassenkreuzung. Angespannt und mit zusammengekniffenen Lippen beobachtete er den kreuzenden Verkehr. Sein Blick strich über die andere Strassenseite. War das nicht---?
Doch, definitiv. Dort stand Angela mit Jordan vor diesem Buchgeschäft... Moment ... hielt sie etwa seine Hand!? Brians Augen weiteten sich. Gebannt blickte er auf das Paar. Heftiges Hupen hinter ihm brachte ihn wieder in die Realität zurück. Erschrocken trat Brian aufs Gas und ... würgte prompt den Wagen ab.
"Shit ... shit ... shit ..." fluchte er vor sich hin, während er den Schlüssel im Zündschloss drehte und wieder losfuhr.
"Das da sieht gut aus." meinte Jordan vorsichtig und zeigte auf ein Buch in der Auslage von Barnes And Nobles. Angela zog die Augenbrauen hoch. "Jordan ... man beurteilt ein Buch eigentlich nicht primär nach dem Bild auf Cover. Ich glaube nicht, dass Brian sich für Titel wie ... 'Ein schöner Body dank Aloe Vera' interessiert."
"Uh. Richtig." murmelte Jordan und versuchte, einen schwachen "Wusste-ich-doch"-Tonfall in diese wenigen Worte unterzubringen. Eine unangenehme Pause entstand. Schweigend standen sie vor dem Schaufenster und musterten die wenigen Pappaufsteller, die auf die aktuelle Besteller-Liste und den neusten Arthur C. Clarke-Roman aufmerksam machten.
"Gespräche mit Jordan fühlen sich immer an, als würde man barfuss durch ein Fass halbeingetrockneten Ahornsirup laufen." dachte Angela. "Es ist zäh und man kommt kaum vorwärts."
"Wie in dem Song." unterbrach er plötzlich ihren Gedankengang.
"Huh?" antwortete Angela überrascht und blickte ihn an.
"Na, 'if you judge a book by the cover ...' oder so. Ist 'ne Textzeile." meinte er. "Von so 'nem Song." fügte er sicherheitshalber nochmal hinzu, während er scheinbar interessiert ein Buch mit einem bunten Umschlag musterte.
"Ah." meinte Angela kurz und wandte sich wieder dem Schaufenster zu.
Wieder lange Ewigkeiten des kollektiven Schweigens vor der Barnes and Nobles-Auslage, einzig unterbrochen durch den überraschten Räusperer von Jordan, als er merkte, dass er die ganze Zeit die Neuerscheinungen im Bereich der Frauenkosmetik gemustert hatte.
"Wollen wir?" fragte sie schliesslich.
"Uh?"
Mit einem soften und doch zwingenden Lächeln zeigte Angela in Richtung Eingangstür. "Reingehen?" fügte sie hinzu, nahm Jordan's Hand und zog ihn hinter sich her.
"Uh. Ah! Jau." meinte er und verdrängte wieder seine Grübeleien über die weibliche Schönheitspflege.
* * *
"Das hier klingt gut. 'Die faszinierende Welt der Astronomie'. Brian ist doch so ein Astronomiefan. Er hat, glaube ich, auch ein Teleskop in seinem Zimmer stehen."
"H-hm." meinte Jordan und beäugte kritisch die Rücken der Bücher in den Regalen. "Ist das so ein grosses Fernrohr?"
"Ja."
"H-hm." wiederholte Jordan, ohne die Bücher aus den Augen zu lassen. Es schien, als fürchte er jeden Moment den Angriff der Körperfresser aus Richtung der Buchregale.
"Er wohnt im Haus direkt neben Dir?" fragte er schliesslich.
"Ja, weisst Du doch." murmelte Angela, während sie das Buch durchblätterte. "Warum?"
Jordan wippte auf seinen Füssen auf und ab. "Uh, nur ... so." meinte er, was sich fast wie der Entschluss anhörte, mal bei Gelegenheit einen Blick durch Brian's Fernrohr zu werfen.
Mit aufgerissenen Augen schlug Angela das Buch zu. "Du hast Recht, ist vielleicht doch nicht so das richtige." meinte sie schnell und ging weiter in Richtung Mathematik/Computer.
Doch auch dort wollte sich kein gutes Geschenk finden lassen. Während Angela verzweifelt durch zahllose Bücher blätterte und versuchte, zumindest die Klappentexte zu verstehen, stierte Jordan lustlos in der Gegend herum und widmete mehr Interesse der junge Verkäuferin an der Kasse. "Hör zu, Jordan, als wir sagten, dass wir gemeinsam ein Geschenk für Brian aussuchen, bin ich eigentlich davon ausgegangen, dass etwas mehr Betonung auf "gemeinsam" liegt. Schliesslich hast _du_ mich angerufen." Sie erzählte ihm absichtlich nicht, dass Sean mit ihr Schluss gemacht hatte. Und sie erzählte ihm auch wohlweisslich nicht, in welcher miesen Stimmung sie sich befunden hatte, als vor einer halben Stunde das Telefon geklingelt hatte und Patty Angela den Hörer überreichte. Doch als sie am anderen Ende Jordan's Stimme gehört hatte, war alles wie weggeblasen - plötzlich war Sean nur noch ein kleiner, unwichtiger Punkt irgendwo in ihrem Leben.
"Wieso? Ich hab uns doch hergefahren. Diese Bücher ... das ist nicht mein .. Ding." meinte Jordan und riss sie aus ihren Gedanken. "Du kannst das besser." fügte er schnell hinzu und bevor Angela etwas erwidern konnte, wandte er sich ab und steuerte auf die Musik-Abteilung zu.
Angela blickte ihm ratlos hinterher. Schliesslich trotte sie ihm dann doch hinterher und sah ihn interessiert bei den Gitarrenbüchern stehen.
"Cool, die Lyrics zu allen STP-Songs." meinte Angela und deutete auf ein kleines Büchlein.
"Stone Temple Pilots? *Du* stehst auf die Stone Temple Pilots??" fragte Jordan ungläubig und starrte sie entgeistert an, als hätte er einen vollkommen neuen unbekannten Menschen neben sich stehen.
"Ja, sicher." meinte sie. "Ich hab die erste CD von denen. Echt toll." erzählte sie etwas abwesend und bemerkte gar nicht, wie fasziniert Jordan sie plötzlich ansah.
"Ich kann einen Song von STP spielen." meinte Jordan.
"Echt?" meinte Angela und blickte ihn freudig an.
"Jepp. Interstate Love Song oder wie der Song hiess." Er sah sich um. Drei Akustikgitarren standen verloren auf einem Sonderangebotsposten. Offenbar verkaufte der Buchladen wirklich jeden Krempel. Jordan griff sich eine und spielte ein paar Noten von dem Lied, bis er einige kritische Blicke von einer Verkäuferin erntete.
"Das wäre doch ein cooles Geschenk." meinte er schliesslich.
"Huh?" fragte Angela irritiert.
"Für Brian. Er ist doch auch im Schulorchester, oder?"
"Jepp. Er spielt glaube ich Klarinette und Saxophon oder so."
Jordan rümpfte die Nase. "Damit wird er nie eine..." begann er, doch dann beendete er abrupt den Satz. "So eine Gitarre ist doch viel cooler." versuchte er Angela zu überzeugen.
Nachdenklich starrte Angela auf die Gitarre. Sie war wirklich recht günstig. $40, das bedeutete $20 für jeden - das lag gerade noch so in ihrem Budget. Und sie hasste es wirklich, wenn sie im Sommer bei offenen Fenster die quietschenden Saxophon-Töne aus Brian's Haus hörte. So schlimm konnte eine Gitarre ja wohl nicht klingen.
Jordan probierte noch ein paar Akkorde aus. "Ich kann sie auch gerade noch stimmen. Der Klang ist soweit in Ordnung."
Sie sah auf ihre Uhr. Nur noch wenig Zeit. Jordan blickte sie fragend an. Schliesslich nickte sie. "Okay. Wir nehmen sie." meinte sie.
"Gut." freute sich Jordan - wohl einerseits über die Tatsache, dass sie ein Geschenk hatten und andererseits darüber, dass er endlich aus díesem Buchladen herauskam.
Gemeinsam steuerten sie die Kasse an und die Kassierin begann den Preis der Gitarre einzutippen.
"Look of Love."
"Wa?" stutzte Angela und auch die Kassiererin blickte kurz fragend auf. Ihr Blick blieb *etwas* länger an Jordan hängen, als vermutlich nötig.
"Der Song. 'judge a book by the cover' und so. Von vorhin. Mir ist es wieder eingefallen. Das ist ABC - "Look of Love" antwortete Jordan und versuchte, das Lied vor sich hin zu summen.
"ABC? Hm, ich bitte Dich, was ist denn das für ein selten-dämlicher Name?" meinte Angela skeptisch und drückte der Kassiererin die Dollar-Scheine in die Hand.
Wenig später verliessen die beiden den Buchladen.
* * *
[[ Anm. d. Autors:
Wenn das jetzt ein Video wäre, dann würde man nun ABC's "Look of Love" im Hintergrund hören, während die Kamera aus reichlich Entfernung beobachtet, wie Angela und Jordan das Geschäft verlassen und vor allem Angela freudig lächelnd neben Jordan herschlendert.
Dann würde die Kamera einen kleinen Spin machen, quer über die Strasse, hinüber auf einen kleinen Parkplatz, auf dem etwas versteckt ein wohlbekannter Wagen steht - und während die Kamera näher kommt, würde man einen gewissen Brian Krakow in dem Wagen erkennen, wie er neugierig das Paar beobachtet.
Und dann würde man einen Fade To Black machen und der Werbeblock könnte beginnen.
Aber das hier ist ja kein Video, sondern nur eine Ansammlung von Buchstaben, also macht jetzt keine Werbe-Pinkelpause, sondern lest weiter! ;-))
]]
* * *
Es war bereits spät am Nachmittag, als Angela endlich zu Hause ankam. Sie hatte eindeutig zuviel Zeit vertrödelt, in einer Stunde begann bereits Brian's Feier und sie hatte noch nicht mal das Geschenk eingepackt. Kurz angebunden düste sie daher an ihrer Mutter vorbei in das obere Stockwerk. Eine kurze, achtlose Begrüssung war alles, was Patty von ihrer Tochter zu hören bekam.
Delia würde gleich vorbeikommen und gemeinsam wollten sie dann die anderen nacheinander einsammeln, um dann zuletzt Brian abzuholen und gemeinsam zum Krankenhaus zu gehen. Also Stress pur. Hoffentlich würden sie eine Fahrgelegenheit finden.
Jordan würde gleich zum Krankenhaus kommen, weil er zuvor angeblich noch Probe hatte, also musste sie wohl oder übel das Geschenk selbst einpacken. Mit hochgezogegen Augenbrauen starrte sie die Gitarre an. Dann blickte sie auf die kleine Rolle Geschenkpapier in ihrer Hand. Wie zur Hölle packte man eine Gitarre ein!?
"MAAAAMA!" brüllte sie in den Flur. Ihre Mutter würde sicherlich wissen, wie das geht. Sie selbst hatte für sowas jetzt keine Geduld.
Sie hatten das Instrument gerade fertig eingepackt, als es an der Tür läutete. Angela rannte sofort los, "Das ist bestimmt Delia" rief sie noch, und öffnete die Tür. Vor ihr standen zwei Männer, in dezenten, aber feinen Anzügen gekleidet. Der eine zeigte ihr eine kleine Karte. "Police Departement Pittsburgh 15217" stand darauf.
"Hallo, junge Dame" meinte der eine Mann freundlich. "Sind deine Eltern da? Wir sind von der Polizei." fügte er noch hinzu und lächelte sie an.
"Ja ... eh, einen Moment bitte." antwortete Angela etwas eingeschüchtert und rief nach ihrer Mutter.
Ihre Gedanken rasten. Wieso, weshalb, warum standen plötzlich Polizisten vor ihrer Tür??
Wenige Augenblicke später sassen die beiden Polizisten mit Patty im Wohnzimmer, während Danielle und Angela versuchten, im Obergeschoss das Gespräch der Erwachsenen zu belauschen.
* * *
Frustriert starrte Jordan auf seine eigne Akustikgitarre. Seit einer Ewigkeit versuchte er nun schon, eine Akkord-Kombination einzuspielen. Kaum hatte er zwei der Noten richtig gegriffen, vergriff er sich an dem nächsten Akkord. Heute klappte auch gar nichts. Selbst zur geplanten Probe war niemand ausser Jordan erschienen.
Er schielte hinüber zu Mike's Gitarren - wie üblich hatte er seine zwei alten E-Gitarren im Proberaum stehen lassen. Mike mochte es zwar nicht, wenn jemand Fremdes an seiner Klampfe und Verstärker 'rumspielte, aber wenn er sein Zeug hier unbeaufsichtig 'rumstehen liess, dann war er wohl selbst schuld. Kurz- entschlossen rappelte sich Jordan auf und schlenderte hinüber zu dem Gitarrenständer, der eigentlich aus nichts weiter als ein paar aneinandergeschraubten Holzlatten bestand.
Er nahm das Instrument auf, kickte mit dem Fuss den kleinen Verstärker an und begann, ein paar Akkorde zu spielen - auf der Suche nach einer neuen Melodie. Doch heute hörte sich irgendwie alles wie "stairway to heaven" an. Auf der anderen Seite wäre Jordan schon ziemlich froh gewesen, wenn er "stairway to heaven" einigermassen fehlerfrei hinbekommen würde.
Also begnügte er sich mit den paar "Red"-Akkorden, die allerdings auf der E-Gitarre etwas seltsam klangen. Nach einigen Minuten war er wieder tief in seinem Hobby versunken, als er Schritte hinter sich hörte. Leicht erschrocken fuhr er herum, fest davon überzeugt, einen stinkwütendenen Mike zu sehen.
Doch vor ihm stand nur eine junge Frau - dunkle, schulterlange Haare, wohl etwa 18 Jahre alt, locker gekleidet mit einem schwarzen Top und einer abgewaschenen Jeans. Jordan hatte sie noch nie gesehen.
"Ist Tino hier?" meinte das Persönchen und blickte sich suchend um.
"Ehm, Nö?" antwortete Jordan, der sich schon längst wieder gefangen hatte und cool und uninteressiert wie eh und je an einem Pfeiler lehnte und sich wieder der Gitarre zuwenden wollte.
"Uh-huh." meinte sie etwas enttäuscht. "Weisst Du vielleicht, wo er sein könnte?" "Er schuldet mir noch 'nen Zwanziger - und gerade jetzt bräuchte ich den ziemlich dringend."
"Tino is' nicht mehr in unserer Band." antwortete Jordan knapp. "Darum hab ich auch keinen Schimmer, wo der sich 'rumtreibt." fügte er schliesslich noch hinzu.
"Shit." kam es zurück. Etwas ratlos blickte sich sich um und schien zu überlegen, wie sie nun an ihre 20 Dollar kommen könnte. Schliesslich fiel ihr Blick durch Zufall wieder auf die E-Gitarre, die Jordan in der Hand hielt. "Hey, das is'n gutes Teil. Hatte ich früher auch mal. Aber ich glaube, ich hatte das etwas kleinere Modell." meinte sie.
Jordan blickte interessiert auf. "Echt?"
"Echt. Darf ich mal?" fragte sie.
"Öhm... jau, warum nicht." meinte er und sandte ein kurzes Stossgebet zum Himmel, dass Mike nicht gerade in den nächsten 5 Minuten zurückkommen möge.
Sie stimmte ein paar Melodien an, doch sie vergriff sich immer wieder aufs Heftigste, so dass sogar Jordan etwas mit der Stirn runzelte.
Doch ihr schien das wenig auszumachen, sie lachte bei jeder Dissonanz laut los und meinte nur, dass sie wohl wirklich einige Jahre nicht mehr geübt hätte. Grinsend gab sie schliesslich das Instrument wieder zurück.
"Ich bin übrigens Carol." meinte sie und streckte Jordan ihre Hand entgegen.
Jordan stellte die E-Gitarre wieder an ihren angestammten Platz und schüttelte Carols Hand. "Hi." meinte er etwas überrascht. Er war es nicht gerade gewohnt, dass sich Leute bei ihm per Handschlag vorstellten.
"Jordan." fügte er dann noch schnell hinzu, nachdem ihn Carol erwartungsvoll angeblickt hatte.
"Ah. Gut, freut mich, Dich kennzulernen, _Jordan_." Sie grinste ihn breit an, bevor sie mit ihrem Anliegen herausrückte. "Hey, Du hast nicht zufällig Lust, mich jetzt auf 'ne Coke einzuladen? Ich hab keinen einzigen cent mehr - dank Tino -, aber einen irren Durst..."
"Sicher, warum nicht." antwortete Jordan kurzentschlossen und kickte den Verstärker wieder aus. "Hey, ich habe sogar noch eine bessere Idee. Ich bin gleich auf einer kleinen Geburtstagsfeier für einen Freund im Krankenhaus eingeladen. Wenn Du willst, kannst du ja mitkommen. Da gibt's bestimmt was zu trinken und die anderen haben garantiert nix dagegen." sprudelte Jordan sehr untypisch wortreich hervor.
"Meinst Du? In ein Krankenhaus?" fragte sie unsicher.
"Sicher. Komm halt mit." meinte er kurzentschlossen und suchte seine Jacke. "Klasse. Und ich fürchtete schon, ich müsste jetzt den Idioten von Tino in der ganzen Stadt suchen" meinte Carol noch, bevor die beiden den Proberaum verliessen und Jordan das Licht löschte.
* * *
Es war eine ziemlich grosse und muntere Truppe, die sich da in Sharon's Zimmer versammelt hatte. Brian, Amy, Angela, Rayanne, Rickie, Delia, Jordan und Carol, alle drängten sich um die wenigen Sitzgelegenheiten. Sie hatten der Stationsschwester erzählen müssen, dass sie Sharon's Geburtstag feiern wollten, ansonsten hätten sie nicht alle in das Zimmer gedurft.
"Das arme Mädel hat Geburtstag? Ja, dann kann man ja mal eine Ausnahme machen." hatte sie lächelnd gesagt und hatte tatsächlich noch eine kleine Kerze auftreiben können, die Sharon prompt ausblasen musste. So kam es, dass Brian Sharon zum Geburtstag gratulierte, obwohl eigentlich er das Geburtstagskind war.
Die ganze Zeit über blickte Angela immer wieder fragend zu Jordan und Carol hinüber, die sich offenbar vieles zu erzählen hatten. Angela hatte Jordan noch nie soviel reden sehen. Jordan hatte Carol als "gute Bekannte" vorgestellt und die anderen waren damit einverstanden, dass sie mit zu Sharon kam. Die beiden machten aber keinerlei Anzeichen, die darauf hindeuteten, dass sie ein Paar waren, jedenfalls fiel Angela nichts auf. Und sie beobachtete die beiden _sehr_ genau.
Alle warteten verzweifelt darauf, dass die Schwester endlich den Raum verlassen würde, doch sie machte ihnen den Gefallen nicht. Sie habe gerade Pause und es würde den "jungen Leuten" doch sicher nichts ausmachen, wenn sie ihnen etwas Gesellschaft leistete. Ihre Cousine hätte schliesslich heute auch Geburtstag.
Als die Schwester schliesslich fragte, ob sie denn all die hübsch eingepackten Geschenke überreichen würden, blickten sich alle etwas verdattert an.
"Ja sicher. Aber wir haben eine Tradition, dass wir Geschenke immer erst nach dem Geburtszeitpunkt überreichen." meinte Sharon spontan und versuchte ein Grinsen zu vermeiden.
"Genau!" sprang Angela zu ihrer Hilfe. "Uund ... und Sharon ist erst um 19:39 Uhr geboren, also müssen wir noch warten!" meinte sie mit todernstem Gesicht.
"Oooch." meinte daraufhin Rayanne und simulierte höchste Enttäuschung. "Können wir denn nicht mal 'ne Ausnahme machen?" meinte sie und genoss die panischen Blicke ihrer Freunde sichtlich.
"Genau. Machen wir 'ne Ausnahme!" meinte auch Rickie plötzlich aus dem Hintergrund und ging mit einem breiten Grinsen auf Sharon's Bett zu. Er zog die etwas störrische Delia hinter sich her und überreichte Sharon ein kleines Paketchen.
"Das ist von mir und Delia." meinte er und sah dabei Brian an. Auch Sharon grinste Brian an und als er auffordernd zurücknickte, riss sie die Verpackung des Päkchens entzwei. Sie entpackte drei kleine Figuren, offenbar sehr kostspielig und aufwendig in Handarbeit gefertigt. "Wow." meinte Sharon beeindruckt.
"Das sind Puertorikanische Glücksbringer." begann Rickie Brian und Sharon zu erklären. "Sie sollen vor allem eine glückliche Beziehung fördern und stehen für Liebe, Offenheit und Toleranz. Sie machen sich aber auch gut einfach nur als Fensterbrettschmuck." fügte er noch hinzu.
"Wunderschön" staunte auch die Schwester, die sich gerade *noch* ein Stück Kuchen von Graham's Torte geschnappt hatte. "Hast Du denn einen Freund?" fragte sie neugierig.
Sharon verschluckte sich etwas. "Äh ... nein ... eigentlich ... momentan ... nicht."
Sie machte sich gleich an die nächsten Geschenke. Über die Gitarre freute sich Brian sichtlich, er erklärte sich sofort bereit, ein paar Akkorde zu probieren und riss Sharon die Gitarre förmlich aus der Hand.
Jordan zwinkerte Angela beim Anblick von Brian's begeisterten Gesicht triumphierend zu. Selbst Carol hatte noch schnell ein Geschenk besorgt - sie lief knallrot an, als Sharon unter grossem Gelächter die 10er Packung Geschmacks-Kondome entpackte. Brian grinste breit und war sichtlich erleichtert darüber, dass nicht er selbst dieses Geschenk vor den anderen hatte auspacken müssen.
Rayanne war sichtlich enttäuscht, dass sie nicht auf diese Idee gekommen war und "nur" mit einem Spezial-Übergrössen-Kuschel-Pyjama aufwarten konnte, in den zwei Leute gleichzeitig reinpassten. "Falls du mal wieder eine Nacht allein mit jemand anderem in einem grossen, dunklen Gebäude verbringen musst." hatte sie dazu gemeint, mit einem mehrdeutigen Seitenblick in Richtung Brian, der wie erstarrt neben Amy stand.
Schliesslich lag nur noch ein verpacktes Geschenk auf Sharon's Bett und die Stations- schwester konnte es sichtlich kaum erwarten, auch das Auspacken dieses Geschenks nicht zu verpassen.
"Na los, von wem ist denn das?" fragte sie begeistert. "Äh, das wird wohl ... müsste wohl ..." begann Sharon stotternd und wurde plötzlich kreidebleich. "Das Geschenk können wir ja später aufmachen!" rief sie abrupt und versuchte, das Paket unter der Bettdecke zu verstauen.
Doch jetzt wollten auch die anderen nicht mehr aufhören und sehen, wie Sharon ihr eigenes Geschenk aufmacht. Und die Krankenschwester - nun schon bei Kuchenstück Nummer drei - feuerte Sharon energisch an.
Hilflos blickte sich Sharon um und tat so, als bekäme sie die Verpackung nicht auf. Prompt zog Jordan sein Taschenmesser und ritzte das Päckchen auf, so dass Sharon nun wirklich keine Ausrede mehr hatte.
Seufzend öffnete sie das Paket und der Raum begann vor Gelächter zu erbeben, als Sharon einen kleinen Rasierer und mehrere Klingen aus dem Päckchen hervorzauberte. Wie ein begossener Pudel sass sie da und schob den Krempel möglichst schnell ausser Sichtweite.
Es dauerte einige Minuten, bis sich alle von dem Lachanfall erholt hatten.
* * *
Schliesslich hatte die Krankenschwester den Raum dann doch verlassen, da ihr Pieper aktiviert worden war (seltsamerweise genau in dem Moment, als Rayanne mal für "kleine Mädchen" unterwegs war).
Alle gratulierten Brian erneut zum Geburtstag und überreichten ihm nochmals die Geschenke.
Daraufhin begannen sie Sharon zu erzählen, was sich in den letzten Tagen Wichtiges an der Liberty High getan hatte.
Angela deutete zu keinem Zeitpunkt an, dass sie sich gerade vor ein paar Stunden von ihrem Freund getrennt hatte. Sie bemerkte zwar mal einen fragenden Blick von Amy, doch sie reagierte nicht darauf und beobachtete lieber weiterhin Jordan und Carol, die ziemlich dicht beieinander standen.
Nachdenklich blickte Brian auf eine der kleinen Figur, die er von Rickie und Delia geschenkt bekommen hatte.
"Wir haben keine Knabbereien mehr" empörte sich plötzlich Rayanne und wedelte mit einer leeren Schale umher.
"Ich geh welche holen." bot sich Brian an. "Ey, es ist *dein* Geburtstag, da brauchst du dich doch nicht um die Erdnüsse zu kümmern" empörte sich Amy.
"Nein, nein, kein Problem, ich muss sowieso aufs Klo." Brian verliess den Raum und schlenderte langsam den Gang entlang. Er erinnerte sich noch dunkel, dass am Ende des Flurs eine kleiner Warteraum war, in dem ein Getränkeautomat und ein paar Süßigkeitenautomaten standen. Er wusste das noch aus der Zeit, als er von seiner Mutter mindestens einmal im Monat wegen Magenschmerzen ins Krankenhaus gebracht wurde. Ausgerechnet seine Mutter, die Freudianerin wollte einfach nicht einsehen, dass diese Magenschmerzen psychosomatische Ursachen hatten und im Grunde aus der Angst resultierten, wieder ins Krankenhaus zu müssen. Brian grinste leicht, als er sich an das jedesmal genervte Gesicht des Arztes erinnerte, wenn Berniece mal wieder glaubte, dass ihrem armen Sohn nicht geholfen würde.
Er hörte, dass jemand hinter ihm hergelaufen kam und er drehte sich um. Es war Delia, die ihm gefolgt war. Brian bliebt stehen und liess sie zu sich aufschliessen.
"Hi." meinte sie etwas unsicher.
"Ehm, hi."
"Ich ... ich wollte nur ... dir mit ... den Nüssen helfen. Äh, Erdnüssen." stammelte sie sichtlich unbehaglich zurecht.
"Ah. Gut. Danke. Die Automaten sind gleich da vorne."
"Oh. Okay."
Schweigend gingen die beiden auf den Warteraum zu.
Als sie vor den Automaten standen und Brian etwas Kleingeld hervorkramte, begann Delia schliesslich: "Brian, du musst wissen, das was du damals getan hast - was du *mir* damals angetan hast, das war das Schlimmste, was mir jemals jemand ... angetan hat."
"Delia, es tut mir so entsetz..."
"Nein, Brian, du brauchst nichts zu sagen, es ist okay. Ich meine natürlich nicht happy-*okay*, aber ich bin allmählich darüber hinweg. So einigermassen zumindest. Es tut nicht mehr so weh. Und ich kenne Dich jetzt besser und ich habe gemerkt, dass das damals ... , also, ich wollte dir nur sagen, dass ... du weisst schon ... es ist ... okay."
Brian sah sie lange still an. "Danke." sagte er schliesslich und begann zaghaft zu lächeln.
"Ich werde mich zwar bestimmt später dafür verfluchen, aber 'was soll's. Freunde?" fragte Delia und streckte ihm ihre rechte Hand entgegen.
Strahlend schüttelte Brian ihre Hand. "Freunde." bestätigte er.
"Gut. Und nun zur grössten Herausforderung des heutigen Abends: Snickers oder Mars?" grinste Delia und deutete auf den Automaten.
* * *
Es war etwa um viertel nach sieben, als schliesslich die Stationsschwester wieder in Sharon's Zimmer kam und darauf hinwies, dass die Besuchszeit seit gut 15 Minuten vorüber war. Durch eine kleine m&m-"Bestechung" konnte die Gruppe zwar nochmal eine weitere viertel Stunde "erkämpfen", aber schliesslich mussten sie sich wieder von Sharon trennen.
Jordan und Carol trennten sich von den anderen, um angeblich noch nach Tino zu suchen. Angela quitterte das mit einem zweifelnden Blick.
So blieben nur noch Delia, Rickie, Angela, Amy, Brian und Rayanne übrig. Sie entschlossen sich, den Abend bei Brian zu beenden, schliesslich hatte er heute sturmfreie Bude.
"Hey, ich hab 'ne klasse Idee!" meinte Delia während die Gruppe durch den Three Rivers Park am Stadion schlenderten. "Das Let's bolt feiert heute doch den dreijährigen Geburtstag oder so. Da könnten wir doch 'nen Abstecher hin machen. Heute passen die Türwächter bestimmt nicht so gut auf."
"Klasse Idee!" rief Amy und stubste Brian auffordernd an. Der grinste zurück und sein Blick zeigte deutlich, dass er heute Abend für jeden Unsinn bereit war.
"Ich weiss nicht." murmelte Angela vorsichtig und schaute Rayanne und Rickie fragend an. "Wir hatten da mal ziemlich schlechte Erfahrungen gemacht." Sie erinnerte sich nur noch zu gut an die Nacht im letzten Spätsommer, als der Abend damit endete, dass sie von einem Polizisten nach Hause gebracht wurden. Nachdenklich warf sie einen kurzen Seitenblick hinüber zu Brian, der gerade in einen innigen Kuss mit Amy vertieft war. War jener Abend im Let's bolt wirklich erst ein dreiviertel Jahr her? Sie konnte es nicht glauben. Soviel war seitdem passiert - genügend für ein ganzes Jahrzehnt.
Sie schüttelte die Erinnerung an die Vergangenheit ab und bekam gerade noch mit, wie die Gruppe die Entscheidung traf, ins Let's bolt aufzubrechen.
AKT 4
Es war schon spät in der Nacht, oder früh am Morgen, als die Gruppe nach einigen Stunden verrückten Let's bolt-Abenteuern schliesslich in der Krakow'schen Küche sass und an einer grossen Portion halbaufgetauten Eis mit Cookie-Teig-Geschmack futterten, nur Rayanne hatte sich mal wieder eine Flasche Bier aus dem Krakow'schen Kühlschrank gegönnt. "Polnisches Bier" hatte sie missmutig geraunzt, als sie die Flaschen entdeckte, aber im Endeffekt konnte es sie dann doch nicht von einem Geschmackstest abhalten.
Irgendwie kam die Gruppe schliesslich auf das Thema um den Überfall auf Sharon. Alle waren froh, dass es Sharon schon so schnell wieder so gut ging.
"Wirklich schrecklich, wie jemand so etwas tun kann." meinte Delia.
Alle schwiegen wieder und starrten in Gedanken verloren auf den Küchentisch. Eine Kerzenflamme tanzte einsam in der Mitte des Tischs.
"Ich war's." unterbrach Rayanne plötzlich die Stille und klammerte sich an ihrer Flasche polnisches Bier fest.
"Häh!?" fragte Brian überrascht und sprach damit das aus, was alle anderen dachten.
In Rayannes Augen begann sich kleine Seen von Tränen zu bilden. "Jene Nacht ... als ... als, Sharon ..." sie stockte kurz. "... als sie zusammengeschlagen wurde. Oh mein Gott, es tut mir so leid." Sie begann zu schluchzen, die Worte begannen aus ihr herauszubrechen, all die Lügen, die sie so lange zurückgehalten hatte. Die anderen starrten sie nur fassungslos und verständnislos an. "Es tut mir so *schrecklich* leid." wiederholte sie. "Ich habe das nie gewollt ... ich war nicht ich selbst, als das passierte, ich war betrunken, und so wütend wegen Rickie und ... es tut mir so leid, ich würde sterben, wenn es die Sache wieder ungeschehen machen würde."
Abrupt stand Rayanne auf, ihr Stuhl schoss zurück, sie packte die Bierflasche und warf sie mit voller Wucht gegen den Küchenschrank. "Es ist alles nur wegen dem dämlichen Zeug! Deswegen hab ich dich damals betrogen und deshalb hab ich Sharon ... diese unglaubliche Sache angetan!"
"Rayanne, was in Gottes Namen erzählst Du da!?" entfuhr es Angela. "Ich kann es nicht mehr ertragen! Es ist alles zuviel!" Ihre Stimme erstickte vor Tränen.
Schliesslich drehte sie sich um und rannte aus der Küche - Sekunden später hörte man die Haustür zuschlagen. "Was zum Teufel war denn das?" fragte Delia fassungslos.
"Wieso glaubt Rayanne, dass sie Sharon so zugerichtet hat? Oder war sie es etwa wirklich!? Oh mein Gott. Hat deshalb die Polizei heute mit deinen Eltern geredet?" sprudelte es aus Delia hervor. "Nein." sagte Angela leise. Sie machte eine lange Pause, bevor sie weitersprach. "Sie haben den Täter heute gefasst. Er wurde mittels einer DNA-Analyse gefunden und er hat auch schon gestanden. Er hatte sich offensichtlich auch als Ober bei meinem Dad beworben. Damals muss er wohl auch auf Sharon aufmerksam geworden sein. Darum war heute die Polizei bei uns."
Die Gruppe schwieg. Jeder versuchte, sich einen Reim auf das eben Geschehene zu machen. Schliesslich war es Brian, der das Schweigen brach. "Jemand sollte sich um Rayanne kümmern." meinte Brian. "Ja. Ich gehe." sagte Angela und sprang auf.
"Ich auch." meinte Rickie und Delia folgte ihm nickend. Auch Brian stand auf und griff nach seiner Jacke. "Wir sollten alle gehen. Irgendwas ist nicht in Ordnung mit ihr. Irgendwas Ernstes." fügte er hinzu. Schweigend suchte sich die Gruppe Jacken und Mäntel zusammen und einer nach dem anderen verliess den Raum. Zurück blieb die schwach erleuchtete Küche, die Kerze flackerte ruhig vor sich hin. Nach ein paar Sekunden kam Brian wieder zurück und blies die Flamme aus.
Nun erleuchtete nur noch das fade Mondlicht den kleinen Raum.
Still schien es auf die Scherben der zerbrochenen Bierflasche.