The So-called FortsetzungsFanFiction
Teil 16 von Sascha
18. März 1995
Liebes Tagebuch,
gibt es ein Wort für solch einen chaotischen Abend ? Vermutlich nicht. Noch selten habe ich meine Eltern so total aufgelöst umherlaufen sehen. Nicht mal Mom weiss mehr, was sie tun soll. Ausgerechnet sie. Ha ! Ich kann gut verstehen, warum Danielle abgehauen ist. Sehr gut sogar. Als ich heute mittag auf ihrem Bett saß und den kleinen, unscheinbaren Zettel entdeckte, wusste ich irgendwie sofort, was darin stand. Noch bevor ich den Zettel überhaupt aufgehoben hatte.
"Wen immer es interessiert."
So hatte die kleine Mitteilung begonnen. Sooooo schrecklich pathetisch. Dennoch trieb es mir geradezu einen Pflock durch die Brust, als ich das las. Das gibt zu denken.
Meine kleine Schwester haut einfach ab. Ich bin sogar wütend auf sie !??? Warum ? Bin ich etwa sauer, weil sie schlicht und einfach das getan hat, worüber ich seit Wochen nachdenke ?
Ja, ich wollte auch abhauen. Meine Güte, wie oft hatte ich diesen Entschluss schon gefasst, und habe es dann doch nicht getan. Irgendwie hab ich aber auch nie an Danielle gedacht. Ich war immer damit beschäftigt, wie sehr ich unter den Problemen meiner Eltern litt, aber dass auch Danielle so empfinden musste ... das kam für mich nie in Betracht. Dabei hätte ich es doch sehen müssen, all die Kleinigkeiten, wie sie kaum noch lachte, wie sie mich immer ansah, wenn Mum und Dad sich stritten.
Muss ich als ältere Schwester sowas nicht auch bedenken ? Ich hätte schon vor Wochen mit ihr reden müssen. Auch wenn sie meist ein nerviges Ding ist, sie ist schliesslich meine Schwester. Gibt es eine engere Verbindung als zwischen Geschwistern ?
Wenn ihr etwas zustösst, dann bin auch ich schuld.
A.
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"Bist Du sicher ?"
Zweifelnd schielte Danielle hinauf in den Abendhimmel. "Absolut. 12 Millionen Lichtjahre. Is' verflucht weit weg." meinte Dylan. "Dahin sollte man Hallie Lowenthal schiessen." erwiderte Danielle.
"Huh ? Wer ist das ? Eine Schulfreundin von Dir ?" fragte Dylan und drehte sich zu ihr um. Noch immer sass das ungleiche Paar auf dem Kinderspielplatz im Parkgelände vor dem Three Rivers Stadion. Hin und wieder ragten ein paar bunte Lichtfinger in den Nachthimmel, offenbar wurde die Beleuchtungsanlage für das wichtige Play-Off Spiel am Sonntag gewartet.
"Nein, die Geliebte meines Dads." sagte Danielle ruhig und beobachtete weiter den Himmel über dem Stadion. Dylan hatte plötzlich das Gefühl, als hätte ihn jemand mit einem Vorschlaghammer getroffen. Kein Wunder, daß Angela's Eltern Zoff hatten. "Die scheinen Probleme mit dem roten Licht zu haben." fuhr Danielle unbeirrt fort. "Siehst Du, nach dem gelben blinkt immer nur kurz etwas rotes auf, aber dann ist's wieder aus." meinte sie. "Hm ?" antwortete Dylan, allmählich glitt ihm das Gespräch wieder aus den Händen. Dabei war er doch so froh gewesen, als er endlich die depressive Stimmung etwas gedämpft hatte. "Hier, pass auf. Jetzt !" rief Danielle und Dylan beobachtete, wie tatsächlich kurz am Himmel ein roter Punkt aufblitzte.
"GRAAA-HAAAM !!!"
Graham sah die roten Bremslichter vor ihm gerade noch rechtzeitig aufleuchten. Sofort trat er auf die Bremse. Quietschend kam der Wagen zum Stehen, Patty krallte sich instinktiv an ihrem Sitz fest.
"Hui, *das* war knapp !" keuchte Graham und atmete tief durch. Sekundenlang sassen beide einfach nur da und beäugten skeptisch die lange Reihe von Wagen, die sich vor ihnen staute. "Da scheint ein Unfall passiert zu sein." meinte Patty schliesslich. Graham nickte. Man konnte in einiger Entfernung die blinkenden Lichter von Krankenwagen und Polizei auf der Hauptstrasse sehen, der Horizont war nun in ein rot-blaues Lichtermeer getaucht. "Hoffentlich ist es nicht ..." Patty brachte den Gedanken nicht zu Ende.
Starr blickte Graham auf die Wagenkolonne vor ihm.
Das Telefon klingelte. Angela sprang auf, schlug ihr Tagebuch schnell zu und lief hinüber in das Schlafzimmer ihrer Eltern, um das Gespräch entgegenzunehmen. Es war Brian.
"Gibt's irgendwas neues ?" fragte er. "Nein, leider noch nicht. Mum und Dad wollten 'rüber zum Busbahnhof, Jordan und Sean haben sich vor knapp 20 Minuten aus dem Shopping-Center gemeldet und Rickie ist mit ... eh ... irgendwelchen Typen aus der Band immer noch bei ein paar Klassenkameraden von Danielle." "Hm. Dylan hat sich nicht gemeldet ?" "Eh, doch sicher, vor knapp 'ner Stunde, aber wart ihr da nicht dabei ?" "Ja, sicher, aber wir haben ihn verloren. Wir wollten uns vor 10 Minuten am Auto treffen, aber er ist noch nicht aufgetaucht. Er irrt wohl irgendwo hier im Park herum." "Vielleicht hat er sie ja gefunden." meinte Angela. "Möglich. Aber ... moment ... *hey* !". Plötzlich gab es ein Krachen in der Leitung, es schien, als würde Brian mit jemandem diskutieren. Angela konnte ein paar Stimmen hören ...
"Brian !? Brian !?" rief sie in den Hörer. "Hi Sweetie." kam es schliesslich von der anderen Seite zurück. "Wer i- ... Rayanne !" erkannte Angela nach kurzem Zögern. "Was machst du im Park !?" rief sie. "Nun, ich war gerade im, ehm ... nun, hier in der Nähe und da sah ich zufällig Krakow's Wagen und da dachte ich, schau ich doch mal vorbei. Wie geht's dir, Angelique ? Weisst du, dass wir schon lange nichts mehr ..." "Keine Zeit..." unterbrach Angela. "Rayanne, wir brauchen deine Hilfe. Danielle ist abgehauen. Kannst du Brian und Amy suchen helfen ? Bitte ?" "Eh, klar." Rayanne nickte mit dem Telefonhörer am Ohr und drehte sich zu Amy und Brian herum, die vor der Telefonzelle standen und sie genervt ansahen. "Sicher kann ich das machen." fügte sie hinzu und grinste. "Sehr gerne sogar." "Fein." erwiderte Angela. "Hörzu, ich muss aufhängen, falls die anderen anrufen. Danke für deine Hilfe."
"Klar. See ya." sagte Rayanne und die Verbindung wurde unterbrochen. "Bye." sagte Angela leise und legte den Hörer nachdenklich zurück. Sie lag quer auf dem Bett ihrer Eltern, langsam drehte sie sich auf den Rücken und blickte an die Decke.
"So,... du warst also mal mit ... eh, Angela zusammen, richtig ?" fragte Sean in einem möglichst beifälligen Ton, während er sorgsam die Passanten auf dem Bürgersteig musterte.
"Hhm." brummte Jordan und steuerte den Wagen langsam die Freelane Avenue entlang, den Blick fest auf die Menschen gerichtet, die die Strasse bevölkerten.
Sean presste seine Lippen zusammen und versuchte, möglichst nicht in Richtung Jordan zu schauen. "Aber ... ich meine, ihr beide, ihr seid nicht mehr..., also sie ist definitiv deine Ex, nicht wahr ? Du und Angela, das ist endgültig --"
"Da vorne !" unterbrach Jordan abrupt und deutete auf eine kleine Person, die am Strassenrand stand. Er beschleunigte den Wagen und fuhr näher an die Bordstein- kante. "Ist sie das ?" fragte Sean zweifelnd und versuchte, mehr zu erkennen. Ein mindestens 21 Jahre alte Frau mit schwarzen Haaren lächelte den beiden aufreizend entgegen. "Wohl nicht." beantwortete Sean seine eigene Frage und lächelte etwas unsicher zurück. Wenige Augenblicke später waren sie an ihr vorbei. Schweigend fuhren sie weiter.
"Ist sie nicht etwas jung ?" fragte Jordan plötzlich. "Huh ? Die war wohl eher etwas zu *alt*." meinte Sean irritiert. "Nicht die." antwortete Jordan. "Angela." fügte er hinzu. "Oh." Angespannt blickte Sean aus dem Fenster. "Hm ... wie alt ist ... Angela ?" fragte er vorsichtig.
Jordan bremste den Wagen an einer Ampel ab. Er bremste deutlich heftiger, als eigentlich nötig. "Du weisst nicht, wie alt sie ist ??" staunte er und blickte Sean fragend an.
"Eh, doch sicher,... so ungefähr ... 17 ... ?" meinte Sean. Eine halbe Minute verging, während die beiden auf die Grünphase warteten. "15." antwortete Jordan schliesslich trocken und fuhr wieder an.
Pause.
"Oh."
Pause. "Hm." brummte Jordan und machte das Radio lauter.
Schweigend fuhren die beiden weiter, den Blick jeweils konzentriert auf die Bürgersteige gerichtet.
"Immer wenn sie sich so eiskalt ignorieren, weisst du, wenn sie im gleichen Raum sind, aber kein Wort sagen, das ist _so_ fies !" Wütend kickte Danielle einen kleinen Stein fort.
"Und immer behandeln sie mich wie ein kleines Baby, sie machen immer die 'Alles ist in Ordnung'-Nummer sobald ich ins Zimmer komme. Sie glauben, ich bin noch zu klein, um das zu kapieren. Ha ! Mich wie ein 3-jähriges Baby rumschubsen, aber sie selbst schaffen es noch nicht mal, sich zu mögen."
Ein zweiter Stein folgte dem ersten.
"Als ob das *so* viel verlangt ist. Einfach nur nett zueinander zu sein. Schliesslich sind sie doch verheiratet. Und Angela sagt auch nie was. _*Angela*_"
Der dritte Stein flog deutlich am weitesten.
Dylan war wie hypnotisiert. Er starrte auf die kleinen Steinchen, die langsam den leichten Abhang hinunterkullerten und dann in der Dämmerung verschwanden. Die ersten Parklampen waren gerade angegangen, sie leuchteten in einen seltsamen orange-rot. Dylan konnte an nichts anderes denken, als an diese blöden Steinchen, an denen Danielle ihre Wut abliess. Sein Gehirn war wie leergefegt. Sie redete mindestens schon seit 10 Minuten. Pausenlos.
"... und als sie dann ihre Haare gefärbt hatte !! Alle mussten sie beachten, alle haben nur noch über ihre Haar gesprochen, aber für mich hat sich keiner mehr interessiert. Eigentlich hat sich noch nie jemand für mich interessiert."
Beinahe wäre dieser Stein in den nahen Teich katapultiert worden.
"... vermutlich hat Mum den Abschiedsbrief erstmal auf Rechtschreibfehler korrigiert, bevor sie den anderen davon erzählt hat. Mich wundert es, dass ihn überhaupt jemand gefunden hat. Normalerweise kommt nur Mum in mein Zimmer, wenn ich mal wieder aufräumen soll um irgendwelchen Besucher zu zeigen, wie perfekt die kleine Danielle ist."
Plötzlich schwieg sie.
Nach ein paar Sekunden griff sie in ihre Jackentasche und zog ein kleines Stück Papier heraus. Still betrachtete sie es.
Dylan beugte sich langsam hinüber, um zu sehen, um was es sich handelte. Tonlos sagte Danielle "Vorhin war ich am Busbahnhof." und reichte Dylan den Zettel ohne weiteren Kommentar.
Es ging gar nichts mehr. Seit 20 Minuten standen sie jetzt bereits im Stau, Graham hatte bereits den Motor abgestellt und Patty trommelte nervös mit den Fingern auf dem Sitzpolster.
"Du weisst, dass es so nicht weitergeht." sagte sie schliesslich.
"Der Stau wird sich schon noch irgendwann auflösen. Wir können jetzt auch nichts anderes tun." antwortete Graham. "Warum zum Teufel glaubst Du, daß ich von diesem blöden Stau rede !?" rief Patty wütend und schlug mit der Hand auf das Armaturenbrett vor ihr. "Ich rede von unserer Beziehung, verflucht." "Das konnte ich ja nicht ..." "Nein, das konntest Du wohl wirklich nicht. Wie kann ich dumme Kuh auch erwarten, daß *DU* einmal unsere Beziehung mit höchster Priorität behandelst ?" Wütend schüttelte sie den Kopf. "Wir sollten uns trennen." sagte sie schliesslich. "Wie !?" rief Graham erschrocken und riss den Kopf herum. "Du willst die Scheidung !?" "Nein." sagte Patty langsam und versuchte, wieder möglichst ruhig zu sprechen. "Ich denke, ... daß wir uns für einige Zeit aus dem Weg gehen sollten." Sie hatte den Blick fest auf die Strasse gerichtet. Tief sog sie Luft in ihre Lungen. "Du solltest ausziehen, diesmal richtig. Nicht einfach nur bei deinem Bruder übernachten ... für ein oder zwei Monate. Damit wir uns über alles klar werden können." "Patty, Darling, wir sollten jetzt nicht hier darüber sprechen. Lass uns erst mal Danielle finden und dann sehen wir weiter." versuchte Graham zu beschwichtigen. "In Ruhe." fügte er hinzu und versuchte, ihr in die Augen zu schauen, doch sie wich aus. "Nein, daran gibt es nichts zu rütteln. Es muss sein. Unsere Ehe ist in einer Krise. Wir müssen uns klar werden, ob ..." sie holte wieder tief Luft "... ob wir diese Ehe wirklich weiterführen können. *Ich* bin mir dessen nämlich nicht mehr sicher." "Patty ... " begann Graham, doch dann stoppte er. Patty nickte, als hätte sie das erwartet. "Ich will, daß du dir nächste Woche eine Wohnung suchst und dann ausziehst. Du musst nicht alle Sachen mitnehmen, aber ich will, dass du nicht mehr täglich auftauchst. Die Kinder können dich besuchen, wann immer sie wollen." Mit zusammengekniffenen Lippen nickte Graham und liess den Wagen wieder an; der Stau begann sich zögerlich aufzulösen.
Brain verdrehte die Augen, als Rayanne mit einem breiten Grinsen aus der Telefonzelle trat. "Wo kamst du denn plötzlich her ?" fragte er kritisch. "Aus dem Park ?" antwortete Rayanne mit einem typischen was-geht-dich-das-an Unterton. "Ich war im Krankenhaus, bei Sharon." fügte sie schliesslich sanfter hinzu und wendete ihren Blick ab, um scheinbar nach irgendeinem Gegenstand in ihrer Umhängetasche zu suchen. "Du ? Bei Sharon ??" fragte Brian ungläubig.
"Ja. Was geht es dich an ?" fauchte Rayanne zurück. "Nichts. Ich wunderte mich nur, ..." begann er. "Was ?" hakte Rayanne nach und stellte sich genau vor Brian. Er blickte erst sie, dann Amy irritiert an. "Nichts. Nichts." wiederholte er beschwörend. "Was hat Angela noch gesagt ?" lenkte er ab. "Sie will, daß ich euch beim Suchen helfe." sagte Rayanne und ging zu einem kleinen Automaten, der Kaugummi-Kügelchen für Kinder verkaufte. "Was Du aber nicht tun wirst, oder ?" fragte Brian. Ein Abend mit Rayanne war heute so ziemlich das letzte, was er gebrauchen könnte. "Doch, sicher !" rief sie und schlug mit der Faust gegen den kleinen Automaten, wofür sie prompt einen skeptischen Blick von einem älteren Herrn erntete, der seinen Hund Gassi führte. "Buh !" fauchte sie ihn an, warauf der Hund laut zu kläffen begann.
Amy betrachtete die ganze Szene mit hochgezogenen Augenbrauen. "Du kennst dieses Mädchen ?" fragte sie ungläubig. Brian nickte seufzend, doch bevor er antworten konnte, war Rayanne bereits zurück und schlang ihren Arm um Brian. Während sie sich aufreizend an Brian anschmiegte, meinte sie zu Amy: "Ich bin seine heimliche Geliebte. Weisst Du, wir beide, Krakow-Boy und ich, wir haben schon so manche heisse Nacht zusammen verbracht, ... wir sind das Traumpaar der Liberty-High. Leider wurde ich nicht zur Homecoming-Queen gewählt." fügte sie schelmisch hinzu und weidete sich sichtlich an Amy's total irritierten Blick. Doch sie durchschaute Rayannes' Show schnell und griff nach Brian's Hand. Rasch zog sie ihn aus Rayannes Umklammerung fort. "Er ist jetzt mein Darling." meinte sie grinsend zu Rayanne und ehe sich Brian versah, begann Amy ihn intensiv zu küssen. "Wuff !" rief Rayanne baff und ihr Unterkiefer fiel einige Zentimeter tiefer. "Hey, dann bist Du bestimmt diese Anni, Andie, -.- Amy !" meinte sie, nachdem Amy und Brian voneinander abliessen. "Gratulation !" fügte sie hinzu, immernoch sichtlich überrascht. Offenbar hatte sie sich Brian's Freundin nicht *so* hübsch vorgestellt. "Ihr beide habt aber noch nicht miteinander, oder ?" fragte Rayanne ohne Umschweife und riss wieder überrascht ihre Augen auf, als sie Brians Reaktion beobachte. "Oh-mein-Gott, ihr beide *habt* es getan !! Ich glaube es ja nicht !!" kreischte sie lachend und drehte sich in wilden Pirouetten hüpfend auf der Stelle. "Krakow-Boy ist jetzt ein richtiger Mann, wow !" jubelte sie laut in den Park hinein - gottseidank war der Park wegen der fortgeschrittenen Abenddämmerung schon recht leer. Amy und Brian sahen sich ratlos an. Abrupt beruhigte sich Rayanne wieder. "Kaugummi ?" fragte sie und streckte den beiden eine Handvoll bunte Kaugummi-Kügelchen entgegen.
Stumm betrachtete Dylan den Zettel in seiner Hand. "Eine Person, Kindermäßigung, 1-way nach Providence über New York" stand darauf gedruckt. "Du wolltest nach New York ?" fragte er ungläubig. "Providence." korrigierte Danielle. "dafür hatte mein erspartes Taschengeld gerade noch gereicht, ich hätte auch nach Springfield in Ohio fahren können, aber das erinnerte ich zu sehr an die Stadt in "The Simpsons" und ich mag die Simpsons nicht. Jedenfalls nicht heute." "Hm." meinte Dylan kommentarlos. "Ich hatte mir das viel komplizierter vorgestellt, weisst Du ?" meinte sie und blickte Dylan mit ihren geröteten Augen an. "Ich hatte damit gerechnet, daß irgendjemand meinen Ausweis sehen wollte oder nach meinen Eltern fragte. Doch der Schalterbeamte hat mir wortlos das Ticket gegeben und hatte mir sogar automatisch eine Kinderermäßigung gegeben. *Automatisch*. Ich hätte ja auch eine kleinwüchsige 16jährige sein können oder irgendso eine tausend Jahre alte Mutantin, wie sie in diesen Science-Fiction-Filmen immer rumlaufen. Doch ich bin immer nur das Kind. Das kleine, dumme Kind, die kleine Schwester der tollen Angela." "Du magst Angela kein bisschen ? Sie ist immerhin deine Schwester." versuchte Dylan. "Ängellaaaa" jammerte Danielle. "Allein bei dem Gedanken an diesen Namen kommt's mir schon hoch ! Meine Eltern sorgen sich immer nur um Angela. Von Morgens bis Abends, immer nur "Was macht Angela ?" "Ist Angela nicht intelligent !" "Wie heisst Angela's Freund ?" "Wie sind Angela's Noten ?" und so weiter. Aber für mich interessierte sich niemand. Ich bin wohl nur eine Begleiterscheinung, eine unerwünschte Nebenwirkung oder so. Oder eine unterbezahlte Nebendarstellerin in einer dieser billigen TV-Movies, die immer nur ein paar Sätze sagen darf und dann umgebracht wird !" rief sie erregt, während ihre Stimme immer öfters brach, sie begann wieder zu weinen.
"Es war auf jeden Fall ziemlich knapp." meinte der Mann in dem blauen Kittel und leitete Andy und Camille Cherski in das Beratungszimmer. "Dr. Sellers" stand auf einem kleinen Schildchen an seiner Brust. "Wie meinen Sie das ?" fragte Camille und hielt Andys Hand fest umklammert. "Nun, sie hat ernste innere Verletzungen, Leber und eine Niere sind stark geprellt, bei der Milz sind wir uns noch nicht 100 Prozent sicher, wir vermuten einen kleinen Riss, aber das wird sich innerhalb der nächsten 12 Stunden herausstellen. Wenn sich die Vermutung bewahrheitet, müssen wir erneut operieren." "Oh mein Gott. Wer tut sowas bloss ?" fragte Camille und brach wieder in Tränen aus. "Wie ist ihr derzeitiger Zustand ?" fragte Andy und umarmte seine Frau tröstend. "Hm, verstehen Sie, das können wir noch nicht so genau sagen. Wir haben sie in ein künstliches Koma versetzt, damit wir den Heilungsprozess besser unterstützen können, aber sie ist noch nicht über den Berg. Uns machen auch die Gehirnerschütterungen einige Sorgen. Es tut mir leid, ihnen so etwas sagen zu müssen." meinte der Arzt vorsichtig und blickte Sharon's Eltern sorgevoll an. "Ich verstehe nicht, wie jemand, wie ein Mensch, ... so etwas, ... so etwas brutales tun kann !? Wie ist ein Mensch zu so etwas ... ?" Der Rest von Camille's Satz ging in Schluchzen unter. "Ich weiss es nicht." meinte der Arzt leise. "Oh, und ich soll ihnen noch sagen, die Polizei möchte nochmal mit ihnen sprechen. Offenbar gibt es einen Augenzeugen." "Einen Augenzeugen !?" fragte Andy Cherski. "Ja, so sagte es mir zumindest der Officer, der den Fall betreut. Jemand hat offenbar eine langhaarige Person davonlaufen sehen. Mehr weiss ich auch nicht. Bitte sprechen sie mit dem Officer. Hier ist seine Karte." meinte der Arzt und reichte den beiden eine kleine Karte mit dem Logo des Pittsburgh Police Departements.
Danielle schluchzte noch immer.
Hilflos sass Dylan nachwievor auf der Schaukel und überlegte verzweifelt, was er tun sollte. Er hatte nun schon soviel von Danielles Misere gehört, daß er fast schon verstehen konnte, warum sie weggelaufen war. Nein, falsch, eigentlich konnte er es *überhaupt* nicht verstehen ! Er stand abrupt auf und ging hinüber zu Danielle's Schaukel. Irritiert sah sie auf, als sie ihn vor ihn stehen sah. "Ich werde nicht mitkommen." meinte sie schluchzend. "Das will ich auch gar nicht. Ich will nur, dass du dir etwas ansiehst." Dylan begann, seine Jacke zu öffnen und zog seinen Pullover etwas hoch. "Was soll das ?" fragte Danielle, verunsichert. Dylan liess sich nicht beeindrucken. Er zog auch sein T-Shirt hoch, das er unter dem Pullover trug und sein nackter Bauch wurde sichtbar. Erschrocken sah Danielle eine grosse und mehrere kleinere Narben auf seiner linken Seite. "Das habe ich meinem Dad zu verdanken." meinte er lediglich, bevor er die Narben wieder unter T-Shirt und Pullover versteckte. Dann ging er wieder zurück zu seiner Schaukel. "Er hat dich verletzt ??" fragte Danielle leise und schockiert. "Ja, das war sein Abschiedsgeschenk, bevor er abhaute. Er meinte wohl, er müsste die Festigkeit eines Stuhlbeines am menschlichen Objekt testen." sagte Dylan trocken und versuchte, möglichst kühl zu wirken. "Oh." "Du verstehst wohl, was ich dir damit sagen will ?" Danielle nickte langsam. Nach einiger Zeit fragte sie "Wie hast du ... das da ... durchgestanden ?" Dylan blickte auf den Boden. "Dank meinen Geschwistern. Damals erkannte ich, daß Geschwister immer füreinander da sind. Auch wenn sie es nicht immer so sagen können." "Du meinst, Angela wäre auch für mich da ?" "Glaubst du etwa *wirklich*, dass dich deine Schwester hasst ? Sei einmal ehrlich zu dir. Glaubst du das wirklich ?" fragte Dylan und blickte Danielle eindringlich an. Danielle dachte lange nach. "Nein." sagte sie schliesslich leise. "Aber sie spricht nie richtig mit mir, sie schickt mich immer aus ihrem Zimmer, sie lässt mich nie mit ihren coolen Freunden sprechen, ich darf nie ihre Sachen ausleihen ..."
"Danielle, glaub mir, deine Schwester liebt dich. Und deine Eltern auch. Schau nur mal, wie sie sofort nach dir gesucht haben und alles in Bewegung gesetzt haben, um dich zu finden. Angela war vorhin total fix und fertig. Auch sie hat geweint, genauso wie deine Mum. Sogar dein Dad war vollkommen verzweifelt. Ich hab's selbst gesehen." "Sie haben geweint ?" erkundigte sich Danielle. "Ja." "So richtig ... mit vielen Tränen und so... ?" hakte sie noch mal nach. "Ja, sie waren richtig aufgelöst !" meinte Dylan und grinste, als er Danielles leuchtende Augen sah. "Das macht dich wohl glücklich, was ?" "Hmmm.- ja, so irgendwie schon." gab Danielle zu. "Ich fühle mich besser." "Du solltest unbedingt mal mit deiner Schwester darüber reden. Über all das, worüber du auch mit mir eben gesprochen hast. Unbedingt." "Nein, das ... das kann ich nicht." wehrte Danielle ab. "Sie wird mich auslachen." "Danielle, glaub mir, das wird sie nicht. Mit Sicherheit nicht." meinte Dylan. "Hm." Danielle war skeptisch. Aber Angela hatte wegen ihr geweint !! Das hatte sie das letzte Mal getan, als sie sich von Jordan getrennt hatte. Also musste ihr doch etwas an ihr liegen. Irgendwas zumindest. Auch wenn sie es nie richtig sagte.
"Und deine Eltern, sie sind immer und sofort für dich da, dein Vater ist extra mit dem Auto gekommen, um dich zu suchen." Dylan schwieg einige Sekunden, bevor er fortfuhr. "Mein Dad hätte soetwas nie getan. Danielle glaub mir, du kannst das Glück deiner Eltern nicht erzwingen. Wenn sie sich gegenseitig nicht mehr mögen, dann kannst Du nichts dagegen tun. Aber einer Sache kannst du dir immer sicher sein: Sie werden immer für dich da sein, denn sie sind *gute* Eltern." "Gute Eltern ?" wiederholte Danielle. "Ja. Du kennst doch bestimmt auch diese Soap-Operas im TV." "Ja ! Beverly Hills !" rief Danielle. "Genau. Und da gibt es doch auch immer die Guten und die Bösen." Danielle nickte. "Und deine Eltern sind die Guten." fuhr Dylan fort. "Das kannst du mir glauben, das fiel mir gleich auf, als ich deine Eltern und euer Haus sah. Andere Kinder würden dich darum beneiden." "Du hast wohl recht." meinte Danielle und nickte. "Irgendwie."
Einige Minuten sassen sie noch schweigend nebeneinander auf den Schaukeln. Schliesslich begann Danielle langsam hin- und her zu schwingen. Dylan atmete tief durch und stand auf. "Ich werde jetzt gehen, die anderen warten bestimmt auch schon auf mich." Er machte eine kurze Pause, dann wagte er die entscheidende Frage. "Kommst Du mit ?"
Danielle schwang langsam hin und her. Sie dachte nach. Schliesslich blickte sie Dylan entschieden an. "Nein." meinte sie. Dylan blickte sie starr an. "Es sei denn, Du schubst mich hier einmal an." fügte sie schliesslich hinzu und lächelte. "Na, aber klar doch." lachte Dylan und schubste Danielle auf ihrer Schaukel heftig an, so dass sie lachend auf der Schaukel nach vorne schoss. So schaukelte sie einige Minuten hin und her, während Dylan sie immer wieder anschubste. Schliesslich sprang Danielle in einem hohen Bogen von der Schaukel. "Okay" rief sie. "Wir können gehen. Oh, ich habe wohl Hunger." fügte sie hinzu. "Danielle, da wäre noch etwas." hielt Dylan sie noch zurück. "Bitte erzähle niemanden etwas davon, okay ?" meinte er ernst und deutete auf seine Bauchgegend. "Das soll unser Geheimnis bleiben." "Unser Geheimnis ?" "Ja, unser beider Geheimnis. Genauso wie dieser Ort und alles, was wir heute abend besprochen haben." meinte er und sah sie an. "Achja, wenn du mal mit irgendjemandem reden musst, dann ruf mich einfach an. Okay ? Ich bin für dich da." "Danke." meinte Danielle und ein leichtes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. "Wirklich: Danke." wiederholte sie. Vorsichtig ging sie auf ihn zu und umarmte ihn zaghaft. Dylan erwiderte die Umarmung und so standen sie minutenlang im schwachen Licht der Parkbeleuchtung vor dem Kinderspielplatz des Three Rivers Stadiums. Der Wagen rollte langsam auf den Bürgersteig zu.
Röchelnd erstarb der Motor. Doch niemand stieg aus. Mr. Katimski blieb auf dem Fahrersitz sitzen und starrte in die Nacht. Langsam glitt seine Hand auf den Beifahrersitz und berührte den papiernen Umschlag. Ja, er war noch da. Kalt und flach. Also war es doch kein schlechter Alptraum. Er wusste ganz genau, was sich in diesem Umschlag befand. Nur ein paar Formulare in dreifacher Ausfertigung, sowie die Vorladung. Die Vorladung. Er liess den Umschlag abrupt wieder los als hätte er sich in glühendes Eisen verwandelt und legte beide Hände auf das Lenkrad. Der Schulrat war verflucht schnell gewesen. Schneller als er es erwartet hätte. Schon heute war die erste inoffizielle Sitzung gewesen und für nächste Woche war er slebst vorgeladen. "Vorladung". Was für ein blödes Wort. Natürlich würde er nichts abstreiten. Aber was hatte er den falsch gemacht ? Er hatte öffentlich jemanden geküsst. Es war halt ein Mann gewesen. Warum stürzte sich gleich die gesamte Elternvertreung darauf wie räudige Hunde ? Konnte man ihm denn nicht auch sein privates Leben und vor allem sein eigenes Liebesleben zusgestehen ? Musste denn die Gesellschaft immer alles rechtfertigen ? Aber eigentlich war ihm auch ziemlich egal, was der Schulrat mit ihm anstellte. Sollten sie ihn doch suspendieren. Oder er würde kündigen und sich in einem anderen Staat einen Job suchen. So wie er es schon letztes Jahr getan hatte, bevor er an die Liberty High kam. Aber was sollte mit Rickie geschehen ?
"Hey, Brian-Darling, mir fällt gerade auf - du hast noch gar nicht angemerkt, daß du gerade hunderte von Gesetzen brichst !" rief Rayanne von der Rückbank. Amy blickte irritiert zu Brian und dann zu Rayanne auf den Rücksitz. "Brian hat nämlich eigentlich noch gar keine Fahrerlaubnis." erklärte Rayanne lächelnd, beugte sich nach vorne und lugte über Amy's Schulter. "Oioioi." meinte Amy in einem gekünstelten ernsthaften Ton und grinste Brian an. "Das heisst also, mein tapferer Held hier opfert ganz uneigennützig seine weisse Weste ... und schweigt dazu noch ganz mutig !" "Ja, wie tapfer er doch ist. Wie ein Ritter in eisener Rüstu-, äh ... Auto." neckte Rayanne und stubste Brian leicht an. "Neun !! Neun !!" rief Brian daraufhin laut und schlug auf das Lenkrad. "Neun was ?" "Neun Gesetze !! Ich breche gerade drei Bundesgesetze und sechs Regularien des Staates Philadelphia, darunter mindestens zwei, die ein Strafmass von mindestens 4 Monaten Gefängnis ..." brach es aus Brian heraus und er stoppte erst, als Rayanne, Amy und Danielle bereits derart laut lachten, dass ihnen die Tränen die Wangen hinunterliefen.
Aber auch er konnte ein Grinsen nicht unterdrücken, vor allem als Amy ihren Arm hinter seinen Kopf legte und ihn besänftigend im Nacken kraulte. "Kinder !" grummelte Brian und konzentrierte sich wieder auf den Verkehr. "Ja, Dad !" kommentierte Rayanne von der Rückbank und schnitt eine freche Grimasse, die Dylan und Danielle mit einem Lachen quittierten. Brian hätte ewig so weiterfahren können. Er gehörte zu einer Clique, seine Freundin sass neben ihn, *berührte* ihn und vertraute blind ihm und seinem Fahrkönnen, sie hatten sogar Spass. Er fühlte sich fast schon etwas schuldig, dass er eine so gute Zeit hatte und das nur weil Danielle davongelaufen war. Wie konnte er da so happy sein ? War das nicht unfair ? Er blickte kurz zu Danielle in den Rückspiegel. Na bitte, sie lachte auch schon wieder. "Wann wirst Du eigentlich sechzehn ?" unterbrach Amy seinen Gedankengang. "Bald." antwortete Brian. Er wollte jetzt nicht an seinen Geburtstag denken. Dazu brauchte er Zeit und Ruhe, schliesslich galt es sorgsam zu planen, wie er den ersten Geburtstag seines 'neuen' Lebens verbringen sollte - vor allem seitdem sich jetzt auch noch seine Eltern einmischten. "25. März." antwortete Danielle für ihn. "Oh. *Oh*!!" rief Amy. "Das ist ja ... das ist ja schon *nächste* Woche !!" "Ehm, ja." gab Brian verlegen zu und wackelte unsicher mit dem Kopf, während er in die Einfahrt vor dem Haus der Chases einbog.
"Na, dann müssen wir ja noch eine Party organisieren ! Warum erwähnst Du das auch erst jetzt !? Gee, was da alles zu tun ist." rief sie aufgeregt, während der Wagen zum Halten kam und Brian den Motor abstellte. "Natürlich werde ich helfen !" rief Rayanne dazwischen während er ausstieg. "Klasse !" meinte Amy euphorisch. "Ich glaube, ich habe auch schon eine Idee.... wir müssen unbedingt einen Sleep-Over machen ! Und wir müssen soviele Leute wie möglich einladen !" "Sleep-Over !? Bei mir zuhause ?? Und Rayanne ... ??" meinte Brian mit aufgerissenen Augen und konnte nur hilflos beobachten, wie alle schnell ausstiegen und offenbar gleich mit Rayanne die Planung für seine Geburtstagsfeier anpackte. Schliesslich kroch wieder ein leichtes Lächeln auf Brians Gesicht und er stieg aus, schloss den Wagen ab und ging auf seine Freunde zu, die ihn auf der Veranda der Chases erwarteten. Er liebte sein neues Leben.
"Am liebsten möchte ich sterben." meinte Brian und schaute Amy mit einem Gesichtsausdruck an, der scheinbar all das Leid der Welt in sich vereinigte. Mittlerweile war es spät in der Nacht, Brian und Amy hatten sich gerade von den Chases verabschiedet und standen vor dem Haus der Krakows. Amy's Brüder warteten geduldig in Sean's Wagen. Amy lachte nur. "Nix da." behauptete sie keck und stemmte ihre Arme in die Hüfte. "Wir haben uns bereits ein paar Kleinigkeiten ausgedacht." meinte sie und schob ihn mit dem Rücken an die Haustür. "Kleinigkeiten ?" fragte er unsicher zurück. "Von welchen Dimensionen sprechen wir ?" "Na, na, das würde ja die ganze Überraschung verderben. Und es sind ja noch einige Tage." meinte sie, während ihre Stimme immer leiser wurde.
Lächelnd stellte sie sich auf ihre Zehenspitzen und küsste ihn.
Liebes Tagebuch,
gibt es ein Wort für solch einen chaotischen Abend ? Vermutlich nicht. Noch selten habe ich meine Eltern so total aufgelöst umherlaufen sehen. Nicht mal Mom weiss mehr, was sie tun soll. Ausgerechnet sie. Ha ! Ich kann gut verstehen, warum Danielle abgehauen ist. Sehr gut sogar. Als ich heute mittag auf ihrem Bett saß und den kleinen, unscheinbaren Zettel entdeckte, wusste ich irgendwie sofort, was darin stand. Noch bevor ich den Zettel überhaupt aufgehoben hatte.
"Wen immer es interessiert."
So hatte die kleine Mitteilung begonnen. Sooooo schrecklich pathetisch. Dennoch trieb es mir geradezu einen Pflock durch die Brust, als ich das las. Das gibt zu denken.
Meine kleine Schwester haut einfach ab. Ich bin sogar wütend auf sie !??? Warum ? Bin ich etwa sauer, weil sie schlicht und einfach das getan hat, worüber ich seit Wochen nachdenke ?
Ja, ich wollte auch abhauen. Meine Güte, wie oft hatte ich diesen Entschluss schon gefasst, und habe es dann doch nicht getan. Irgendwie hab ich aber auch nie an Danielle gedacht. Ich war immer damit beschäftigt, wie sehr ich unter den Problemen meiner Eltern litt, aber dass auch Danielle so empfinden musste ... das kam für mich nie in Betracht. Dabei hätte ich es doch sehen müssen, all die Kleinigkeiten, wie sie kaum noch lachte, wie sie mich immer ansah, wenn Mum und Dad sich stritten.
Muss ich als ältere Schwester sowas nicht auch bedenken ? Ich hätte schon vor Wochen mit ihr reden müssen. Auch wenn sie meist ein nerviges Ding ist, sie ist schliesslich meine Schwester. Gibt es eine engere Verbindung als zwischen Geschwistern ?
Wenn ihr etwas zustösst, dann bin auch ich schuld.
A.
[My So-Called Life - The FortsetzungsFanFiction - Intro/Logo.]
"Bist Du sicher ?"
Zweifelnd schielte Danielle hinauf in den Abendhimmel. "Absolut. 12 Millionen Lichtjahre. Is' verflucht weit weg." meinte Dylan. "Dahin sollte man Hallie Lowenthal schiessen." erwiderte Danielle.
"Huh ? Wer ist das ? Eine Schulfreundin von Dir ?" fragte Dylan und drehte sich zu ihr um. Noch immer sass das ungleiche Paar auf dem Kinderspielplatz im Parkgelände vor dem Three Rivers Stadion. Hin und wieder ragten ein paar bunte Lichtfinger in den Nachthimmel, offenbar wurde die Beleuchtungsanlage für das wichtige Play-Off Spiel am Sonntag gewartet.
"Nein, die Geliebte meines Dads." sagte Danielle ruhig und beobachtete weiter den Himmel über dem Stadion. Dylan hatte plötzlich das Gefühl, als hätte ihn jemand mit einem Vorschlaghammer getroffen. Kein Wunder, daß Angela's Eltern Zoff hatten. "Die scheinen Probleme mit dem roten Licht zu haben." fuhr Danielle unbeirrt fort. "Siehst Du, nach dem gelben blinkt immer nur kurz etwas rotes auf, aber dann ist's wieder aus." meinte sie. "Hm ?" antwortete Dylan, allmählich glitt ihm das Gespräch wieder aus den Händen. Dabei war er doch so froh gewesen, als er endlich die depressive Stimmung etwas gedämpft hatte. "Hier, pass auf. Jetzt !" rief Danielle und Dylan beobachtete, wie tatsächlich kurz am Himmel ein roter Punkt aufblitzte.
"GRAAA-HAAAM !!!"
Graham sah die roten Bremslichter vor ihm gerade noch rechtzeitig aufleuchten. Sofort trat er auf die Bremse. Quietschend kam der Wagen zum Stehen, Patty krallte sich instinktiv an ihrem Sitz fest.
"Hui, *das* war knapp !" keuchte Graham und atmete tief durch. Sekundenlang sassen beide einfach nur da und beäugten skeptisch die lange Reihe von Wagen, die sich vor ihnen staute. "Da scheint ein Unfall passiert zu sein." meinte Patty schliesslich. Graham nickte. Man konnte in einiger Entfernung die blinkenden Lichter von Krankenwagen und Polizei auf der Hauptstrasse sehen, der Horizont war nun in ein rot-blaues Lichtermeer getaucht. "Hoffentlich ist es nicht ..." Patty brachte den Gedanken nicht zu Ende.
Starr blickte Graham auf die Wagenkolonne vor ihm.
Das Telefon klingelte. Angela sprang auf, schlug ihr Tagebuch schnell zu und lief hinüber in das Schlafzimmer ihrer Eltern, um das Gespräch entgegenzunehmen. Es war Brian.
"Gibt's irgendwas neues ?" fragte er. "Nein, leider noch nicht. Mum und Dad wollten 'rüber zum Busbahnhof, Jordan und Sean haben sich vor knapp 20 Minuten aus dem Shopping-Center gemeldet und Rickie ist mit ... eh ... irgendwelchen Typen aus der Band immer noch bei ein paar Klassenkameraden von Danielle." "Hm. Dylan hat sich nicht gemeldet ?" "Eh, doch sicher, vor knapp 'ner Stunde, aber wart ihr da nicht dabei ?" "Ja, sicher, aber wir haben ihn verloren. Wir wollten uns vor 10 Minuten am Auto treffen, aber er ist noch nicht aufgetaucht. Er irrt wohl irgendwo hier im Park herum." "Vielleicht hat er sie ja gefunden." meinte Angela. "Möglich. Aber ... moment ... *hey* !". Plötzlich gab es ein Krachen in der Leitung, es schien, als würde Brian mit jemandem diskutieren. Angela konnte ein paar Stimmen hören ...
"Brian !? Brian !?" rief sie in den Hörer. "Hi Sweetie." kam es schliesslich von der anderen Seite zurück. "Wer i- ... Rayanne !" erkannte Angela nach kurzem Zögern. "Was machst du im Park !?" rief sie. "Nun, ich war gerade im, ehm ... nun, hier in der Nähe und da sah ich zufällig Krakow's Wagen und da dachte ich, schau ich doch mal vorbei. Wie geht's dir, Angelique ? Weisst du, dass wir schon lange nichts mehr ..." "Keine Zeit..." unterbrach Angela. "Rayanne, wir brauchen deine Hilfe. Danielle ist abgehauen. Kannst du Brian und Amy suchen helfen ? Bitte ?" "Eh, klar." Rayanne nickte mit dem Telefonhörer am Ohr und drehte sich zu Amy und Brian herum, die vor der Telefonzelle standen und sie genervt ansahen. "Sicher kann ich das machen." fügte sie hinzu und grinste. "Sehr gerne sogar." "Fein." erwiderte Angela. "Hörzu, ich muss aufhängen, falls die anderen anrufen. Danke für deine Hilfe."
"Klar. See ya." sagte Rayanne und die Verbindung wurde unterbrochen. "Bye." sagte Angela leise und legte den Hörer nachdenklich zurück. Sie lag quer auf dem Bett ihrer Eltern, langsam drehte sie sich auf den Rücken und blickte an die Decke.
"So,... du warst also mal mit ... eh, Angela zusammen, richtig ?" fragte Sean in einem möglichst beifälligen Ton, während er sorgsam die Passanten auf dem Bürgersteig musterte.
"Hhm." brummte Jordan und steuerte den Wagen langsam die Freelane Avenue entlang, den Blick fest auf die Menschen gerichtet, die die Strasse bevölkerten.
Sean presste seine Lippen zusammen und versuchte, möglichst nicht in Richtung Jordan zu schauen. "Aber ... ich meine, ihr beide, ihr seid nicht mehr..., also sie ist definitiv deine Ex, nicht wahr ? Du und Angela, das ist endgültig --"
"Da vorne !" unterbrach Jordan abrupt und deutete auf eine kleine Person, die am Strassenrand stand. Er beschleunigte den Wagen und fuhr näher an die Bordstein- kante. "Ist sie das ?" fragte Sean zweifelnd und versuchte, mehr zu erkennen. Ein mindestens 21 Jahre alte Frau mit schwarzen Haaren lächelte den beiden aufreizend entgegen. "Wohl nicht." beantwortete Sean seine eigene Frage und lächelte etwas unsicher zurück. Wenige Augenblicke später waren sie an ihr vorbei. Schweigend fuhren sie weiter.
"Ist sie nicht etwas jung ?" fragte Jordan plötzlich. "Huh ? Die war wohl eher etwas zu *alt*." meinte Sean irritiert. "Nicht die." antwortete Jordan. "Angela." fügte er hinzu. "Oh." Angespannt blickte Sean aus dem Fenster. "Hm ... wie alt ist ... Angela ?" fragte er vorsichtig.
Jordan bremste den Wagen an einer Ampel ab. Er bremste deutlich heftiger, als eigentlich nötig. "Du weisst nicht, wie alt sie ist ??" staunte er und blickte Sean fragend an.
"Eh, doch sicher,... so ungefähr ... 17 ... ?" meinte Sean. Eine halbe Minute verging, während die beiden auf die Grünphase warteten. "15." antwortete Jordan schliesslich trocken und fuhr wieder an.
Pause.
"Oh."
Pause. "Hm." brummte Jordan und machte das Radio lauter.
Schweigend fuhren die beiden weiter, den Blick jeweils konzentriert auf die Bürgersteige gerichtet.
"Immer wenn sie sich so eiskalt ignorieren, weisst du, wenn sie im gleichen Raum sind, aber kein Wort sagen, das ist _so_ fies !" Wütend kickte Danielle einen kleinen Stein fort.
"Und immer behandeln sie mich wie ein kleines Baby, sie machen immer die 'Alles ist in Ordnung'-Nummer sobald ich ins Zimmer komme. Sie glauben, ich bin noch zu klein, um das zu kapieren. Ha ! Mich wie ein 3-jähriges Baby rumschubsen, aber sie selbst schaffen es noch nicht mal, sich zu mögen."
Ein zweiter Stein folgte dem ersten.
"Als ob das *so* viel verlangt ist. Einfach nur nett zueinander zu sein. Schliesslich sind sie doch verheiratet. Und Angela sagt auch nie was. _*Angela*_"
Der dritte Stein flog deutlich am weitesten.
Dylan war wie hypnotisiert. Er starrte auf die kleinen Steinchen, die langsam den leichten Abhang hinunterkullerten und dann in der Dämmerung verschwanden. Die ersten Parklampen waren gerade angegangen, sie leuchteten in einen seltsamen orange-rot. Dylan konnte an nichts anderes denken, als an diese blöden Steinchen, an denen Danielle ihre Wut abliess. Sein Gehirn war wie leergefegt. Sie redete mindestens schon seit 10 Minuten. Pausenlos.
"... und als sie dann ihre Haare gefärbt hatte !! Alle mussten sie beachten, alle haben nur noch über ihre Haar gesprochen, aber für mich hat sich keiner mehr interessiert. Eigentlich hat sich noch nie jemand für mich interessiert."
Beinahe wäre dieser Stein in den nahen Teich katapultiert worden.
"... vermutlich hat Mum den Abschiedsbrief erstmal auf Rechtschreibfehler korrigiert, bevor sie den anderen davon erzählt hat. Mich wundert es, dass ihn überhaupt jemand gefunden hat. Normalerweise kommt nur Mum in mein Zimmer, wenn ich mal wieder aufräumen soll um irgendwelchen Besucher zu zeigen, wie perfekt die kleine Danielle ist."
Plötzlich schwieg sie.
Nach ein paar Sekunden griff sie in ihre Jackentasche und zog ein kleines Stück Papier heraus. Still betrachtete sie es.
Dylan beugte sich langsam hinüber, um zu sehen, um was es sich handelte. Tonlos sagte Danielle "Vorhin war ich am Busbahnhof." und reichte Dylan den Zettel ohne weiteren Kommentar.
Es ging gar nichts mehr. Seit 20 Minuten standen sie jetzt bereits im Stau, Graham hatte bereits den Motor abgestellt und Patty trommelte nervös mit den Fingern auf dem Sitzpolster.
"Du weisst, dass es so nicht weitergeht." sagte sie schliesslich.
"Der Stau wird sich schon noch irgendwann auflösen. Wir können jetzt auch nichts anderes tun." antwortete Graham. "Warum zum Teufel glaubst Du, daß ich von diesem blöden Stau rede !?" rief Patty wütend und schlug mit der Hand auf das Armaturenbrett vor ihr. "Ich rede von unserer Beziehung, verflucht." "Das konnte ich ja nicht ..." "Nein, das konntest Du wohl wirklich nicht. Wie kann ich dumme Kuh auch erwarten, daß *DU* einmal unsere Beziehung mit höchster Priorität behandelst ?" Wütend schüttelte sie den Kopf. "Wir sollten uns trennen." sagte sie schliesslich. "Wie !?" rief Graham erschrocken und riss den Kopf herum. "Du willst die Scheidung !?" "Nein." sagte Patty langsam und versuchte, wieder möglichst ruhig zu sprechen. "Ich denke, ... daß wir uns für einige Zeit aus dem Weg gehen sollten." Sie hatte den Blick fest auf die Strasse gerichtet. Tief sog sie Luft in ihre Lungen. "Du solltest ausziehen, diesmal richtig. Nicht einfach nur bei deinem Bruder übernachten ... für ein oder zwei Monate. Damit wir uns über alles klar werden können." "Patty, Darling, wir sollten jetzt nicht hier darüber sprechen. Lass uns erst mal Danielle finden und dann sehen wir weiter." versuchte Graham zu beschwichtigen. "In Ruhe." fügte er hinzu und versuchte, ihr in die Augen zu schauen, doch sie wich aus. "Nein, daran gibt es nichts zu rütteln. Es muss sein. Unsere Ehe ist in einer Krise. Wir müssen uns klar werden, ob ..." sie holte wieder tief Luft "... ob wir diese Ehe wirklich weiterführen können. *Ich* bin mir dessen nämlich nicht mehr sicher." "Patty ... " begann Graham, doch dann stoppte er. Patty nickte, als hätte sie das erwartet. "Ich will, daß du dir nächste Woche eine Wohnung suchst und dann ausziehst. Du musst nicht alle Sachen mitnehmen, aber ich will, dass du nicht mehr täglich auftauchst. Die Kinder können dich besuchen, wann immer sie wollen." Mit zusammengekniffenen Lippen nickte Graham und liess den Wagen wieder an; der Stau begann sich zögerlich aufzulösen.
Brain verdrehte die Augen, als Rayanne mit einem breiten Grinsen aus der Telefonzelle trat. "Wo kamst du denn plötzlich her ?" fragte er kritisch. "Aus dem Park ?" antwortete Rayanne mit einem typischen was-geht-dich-das-an Unterton. "Ich war im Krankenhaus, bei Sharon." fügte sie schliesslich sanfter hinzu und wendete ihren Blick ab, um scheinbar nach irgendeinem Gegenstand in ihrer Umhängetasche zu suchen. "Du ? Bei Sharon ??" fragte Brian ungläubig.
"Ja. Was geht es dich an ?" fauchte Rayanne zurück. "Nichts. Ich wunderte mich nur, ..." begann er. "Was ?" hakte Rayanne nach und stellte sich genau vor Brian. Er blickte erst sie, dann Amy irritiert an. "Nichts. Nichts." wiederholte er beschwörend. "Was hat Angela noch gesagt ?" lenkte er ab. "Sie will, daß ich euch beim Suchen helfe." sagte Rayanne und ging zu einem kleinen Automaten, der Kaugummi-Kügelchen für Kinder verkaufte. "Was Du aber nicht tun wirst, oder ?" fragte Brian. Ein Abend mit Rayanne war heute so ziemlich das letzte, was er gebrauchen könnte. "Doch, sicher !" rief sie und schlug mit der Faust gegen den kleinen Automaten, wofür sie prompt einen skeptischen Blick von einem älteren Herrn erntete, der seinen Hund Gassi führte. "Buh !" fauchte sie ihn an, warauf der Hund laut zu kläffen begann.
Amy betrachtete die ganze Szene mit hochgezogenen Augenbrauen. "Du kennst dieses Mädchen ?" fragte sie ungläubig. Brian nickte seufzend, doch bevor er antworten konnte, war Rayanne bereits zurück und schlang ihren Arm um Brian. Während sie sich aufreizend an Brian anschmiegte, meinte sie zu Amy: "Ich bin seine heimliche Geliebte. Weisst Du, wir beide, Krakow-Boy und ich, wir haben schon so manche heisse Nacht zusammen verbracht, ... wir sind das Traumpaar der Liberty-High. Leider wurde ich nicht zur Homecoming-Queen gewählt." fügte sie schelmisch hinzu und weidete sich sichtlich an Amy's total irritierten Blick. Doch sie durchschaute Rayannes' Show schnell und griff nach Brian's Hand. Rasch zog sie ihn aus Rayannes Umklammerung fort. "Er ist jetzt mein Darling." meinte sie grinsend zu Rayanne und ehe sich Brian versah, begann Amy ihn intensiv zu küssen. "Wuff !" rief Rayanne baff und ihr Unterkiefer fiel einige Zentimeter tiefer. "Hey, dann bist Du bestimmt diese Anni, Andie, -.- Amy !" meinte sie, nachdem Amy und Brian voneinander abliessen. "Gratulation !" fügte sie hinzu, immernoch sichtlich überrascht. Offenbar hatte sie sich Brian's Freundin nicht *so* hübsch vorgestellt. "Ihr beide habt aber noch nicht miteinander, oder ?" fragte Rayanne ohne Umschweife und riss wieder überrascht ihre Augen auf, als sie Brians Reaktion beobachte. "Oh-mein-Gott, ihr beide *habt* es getan !! Ich glaube es ja nicht !!" kreischte sie lachend und drehte sich in wilden Pirouetten hüpfend auf der Stelle. "Krakow-Boy ist jetzt ein richtiger Mann, wow !" jubelte sie laut in den Park hinein - gottseidank war der Park wegen der fortgeschrittenen Abenddämmerung schon recht leer. Amy und Brian sahen sich ratlos an. Abrupt beruhigte sich Rayanne wieder. "Kaugummi ?" fragte sie und streckte den beiden eine Handvoll bunte Kaugummi-Kügelchen entgegen.
Stumm betrachtete Dylan den Zettel in seiner Hand. "Eine Person, Kindermäßigung, 1-way nach Providence über New York" stand darauf gedruckt. "Du wolltest nach New York ?" fragte er ungläubig. "Providence." korrigierte Danielle. "dafür hatte mein erspartes Taschengeld gerade noch gereicht, ich hätte auch nach Springfield in Ohio fahren können, aber das erinnerte ich zu sehr an die Stadt in "The Simpsons" und ich mag die Simpsons nicht. Jedenfalls nicht heute." "Hm." meinte Dylan kommentarlos. "Ich hatte mir das viel komplizierter vorgestellt, weisst Du ?" meinte sie und blickte Dylan mit ihren geröteten Augen an. "Ich hatte damit gerechnet, daß irgendjemand meinen Ausweis sehen wollte oder nach meinen Eltern fragte. Doch der Schalterbeamte hat mir wortlos das Ticket gegeben und hatte mir sogar automatisch eine Kinderermäßigung gegeben. *Automatisch*. Ich hätte ja auch eine kleinwüchsige 16jährige sein können oder irgendso eine tausend Jahre alte Mutantin, wie sie in diesen Science-Fiction-Filmen immer rumlaufen. Doch ich bin immer nur das Kind. Das kleine, dumme Kind, die kleine Schwester der tollen Angela." "Du magst Angela kein bisschen ? Sie ist immerhin deine Schwester." versuchte Dylan. "Ängellaaaa" jammerte Danielle. "Allein bei dem Gedanken an diesen Namen kommt's mir schon hoch ! Meine Eltern sorgen sich immer nur um Angela. Von Morgens bis Abends, immer nur "Was macht Angela ?" "Ist Angela nicht intelligent !" "Wie heisst Angela's Freund ?" "Wie sind Angela's Noten ?" und so weiter. Aber für mich interessierte sich niemand. Ich bin wohl nur eine Begleiterscheinung, eine unerwünschte Nebenwirkung oder so. Oder eine unterbezahlte Nebendarstellerin in einer dieser billigen TV-Movies, die immer nur ein paar Sätze sagen darf und dann umgebracht wird !" rief sie erregt, während ihre Stimme immer öfters brach, sie begann wieder zu weinen.
"Es war auf jeden Fall ziemlich knapp." meinte der Mann in dem blauen Kittel und leitete Andy und Camille Cherski in das Beratungszimmer. "Dr. Sellers" stand auf einem kleinen Schildchen an seiner Brust. "Wie meinen Sie das ?" fragte Camille und hielt Andys Hand fest umklammert. "Nun, sie hat ernste innere Verletzungen, Leber und eine Niere sind stark geprellt, bei der Milz sind wir uns noch nicht 100 Prozent sicher, wir vermuten einen kleinen Riss, aber das wird sich innerhalb der nächsten 12 Stunden herausstellen. Wenn sich die Vermutung bewahrheitet, müssen wir erneut operieren." "Oh mein Gott. Wer tut sowas bloss ?" fragte Camille und brach wieder in Tränen aus. "Wie ist ihr derzeitiger Zustand ?" fragte Andy und umarmte seine Frau tröstend. "Hm, verstehen Sie, das können wir noch nicht so genau sagen. Wir haben sie in ein künstliches Koma versetzt, damit wir den Heilungsprozess besser unterstützen können, aber sie ist noch nicht über den Berg. Uns machen auch die Gehirnerschütterungen einige Sorgen. Es tut mir leid, ihnen so etwas sagen zu müssen." meinte der Arzt vorsichtig und blickte Sharon's Eltern sorgevoll an. "Ich verstehe nicht, wie jemand, wie ein Mensch, ... so etwas, ... so etwas brutales tun kann !? Wie ist ein Mensch zu so etwas ... ?" Der Rest von Camille's Satz ging in Schluchzen unter. "Ich weiss es nicht." meinte der Arzt leise. "Oh, und ich soll ihnen noch sagen, die Polizei möchte nochmal mit ihnen sprechen. Offenbar gibt es einen Augenzeugen." "Einen Augenzeugen !?" fragte Andy Cherski. "Ja, so sagte es mir zumindest der Officer, der den Fall betreut. Jemand hat offenbar eine langhaarige Person davonlaufen sehen. Mehr weiss ich auch nicht. Bitte sprechen sie mit dem Officer. Hier ist seine Karte." meinte der Arzt und reichte den beiden eine kleine Karte mit dem Logo des Pittsburgh Police Departements.
Danielle schluchzte noch immer.
Hilflos sass Dylan nachwievor auf der Schaukel und überlegte verzweifelt, was er tun sollte. Er hatte nun schon soviel von Danielles Misere gehört, daß er fast schon verstehen konnte, warum sie weggelaufen war. Nein, falsch, eigentlich konnte er es *überhaupt* nicht verstehen ! Er stand abrupt auf und ging hinüber zu Danielle's Schaukel. Irritiert sah sie auf, als sie ihn vor ihn stehen sah. "Ich werde nicht mitkommen." meinte sie schluchzend. "Das will ich auch gar nicht. Ich will nur, dass du dir etwas ansiehst." Dylan begann, seine Jacke zu öffnen und zog seinen Pullover etwas hoch. "Was soll das ?" fragte Danielle, verunsichert. Dylan liess sich nicht beeindrucken. Er zog auch sein T-Shirt hoch, das er unter dem Pullover trug und sein nackter Bauch wurde sichtbar. Erschrocken sah Danielle eine grosse und mehrere kleinere Narben auf seiner linken Seite. "Das habe ich meinem Dad zu verdanken." meinte er lediglich, bevor er die Narben wieder unter T-Shirt und Pullover versteckte. Dann ging er wieder zurück zu seiner Schaukel. "Er hat dich verletzt ??" fragte Danielle leise und schockiert. "Ja, das war sein Abschiedsgeschenk, bevor er abhaute. Er meinte wohl, er müsste die Festigkeit eines Stuhlbeines am menschlichen Objekt testen." sagte Dylan trocken und versuchte, möglichst kühl zu wirken. "Oh." "Du verstehst wohl, was ich dir damit sagen will ?" Danielle nickte langsam. Nach einiger Zeit fragte sie "Wie hast du ... das da ... durchgestanden ?" Dylan blickte auf den Boden. "Dank meinen Geschwistern. Damals erkannte ich, daß Geschwister immer füreinander da sind. Auch wenn sie es nicht immer so sagen können." "Du meinst, Angela wäre auch für mich da ?" "Glaubst du etwa *wirklich*, dass dich deine Schwester hasst ? Sei einmal ehrlich zu dir. Glaubst du das wirklich ?" fragte Dylan und blickte Danielle eindringlich an. Danielle dachte lange nach. "Nein." sagte sie schliesslich leise. "Aber sie spricht nie richtig mit mir, sie schickt mich immer aus ihrem Zimmer, sie lässt mich nie mit ihren coolen Freunden sprechen, ich darf nie ihre Sachen ausleihen ..."
"Danielle, glaub mir, deine Schwester liebt dich. Und deine Eltern auch. Schau nur mal, wie sie sofort nach dir gesucht haben und alles in Bewegung gesetzt haben, um dich zu finden. Angela war vorhin total fix und fertig. Auch sie hat geweint, genauso wie deine Mum. Sogar dein Dad war vollkommen verzweifelt. Ich hab's selbst gesehen." "Sie haben geweint ?" erkundigte sich Danielle. "Ja." "So richtig ... mit vielen Tränen und so... ?" hakte sie noch mal nach. "Ja, sie waren richtig aufgelöst !" meinte Dylan und grinste, als er Danielles leuchtende Augen sah. "Das macht dich wohl glücklich, was ?" "Hmmm.- ja, so irgendwie schon." gab Danielle zu. "Ich fühle mich besser." "Du solltest unbedingt mal mit deiner Schwester darüber reden. Über all das, worüber du auch mit mir eben gesprochen hast. Unbedingt." "Nein, das ... das kann ich nicht." wehrte Danielle ab. "Sie wird mich auslachen." "Danielle, glaub mir, das wird sie nicht. Mit Sicherheit nicht." meinte Dylan. "Hm." Danielle war skeptisch. Aber Angela hatte wegen ihr geweint !! Das hatte sie das letzte Mal getan, als sie sich von Jordan getrennt hatte. Also musste ihr doch etwas an ihr liegen. Irgendwas zumindest. Auch wenn sie es nie richtig sagte.
"Und deine Eltern, sie sind immer und sofort für dich da, dein Vater ist extra mit dem Auto gekommen, um dich zu suchen." Dylan schwieg einige Sekunden, bevor er fortfuhr. "Mein Dad hätte soetwas nie getan. Danielle glaub mir, du kannst das Glück deiner Eltern nicht erzwingen. Wenn sie sich gegenseitig nicht mehr mögen, dann kannst Du nichts dagegen tun. Aber einer Sache kannst du dir immer sicher sein: Sie werden immer für dich da sein, denn sie sind *gute* Eltern." "Gute Eltern ?" wiederholte Danielle. "Ja. Du kennst doch bestimmt auch diese Soap-Operas im TV." "Ja ! Beverly Hills !" rief Danielle. "Genau. Und da gibt es doch auch immer die Guten und die Bösen." Danielle nickte. "Und deine Eltern sind die Guten." fuhr Dylan fort. "Das kannst du mir glauben, das fiel mir gleich auf, als ich deine Eltern und euer Haus sah. Andere Kinder würden dich darum beneiden." "Du hast wohl recht." meinte Danielle und nickte. "Irgendwie."
Einige Minuten sassen sie noch schweigend nebeneinander auf den Schaukeln. Schliesslich begann Danielle langsam hin- und her zu schwingen. Dylan atmete tief durch und stand auf. "Ich werde jetzt gehen, die anderen warten bestimmt auch schon auf mich." Er machte eine kurze Pause, dann wagte er die entscheidende Frage. "Kommst Du mit ?"
Danielle schwang langsam hin und her. Sie dachte nach. Schliesslich blickte sie Dylan entschieden an. "Nein." meinte sie. Dylan blickte sie starr an. "Es sei denn, Du schubst mich hier einmal an." fügte sie schliesslich hinzu und lächelte. "Na, aber klar doch." lachte Dylan und schubste Danielle auf ihrer Schaukel heftig an, so dass sie lachend auf der Schaukel nach vorne schoss. So schaukelte sie einige Minuten hin und her, während Dylan sie immer wieder anschubste. Schliesslich sprang Danielle in einem hohen Bogen von der Schaukel. "Okay" rief sie. "Wir können gehen. Oh, ich habe wohl Hunger." fügte sie hinzu. "Danielle, da wäre noch etwas." hielt Dylan sie noch zurück. "Bitte erzähle niemanden etwas davon, okay ?" meinte er ernst und deutete auf seine Bauchgegend. "Das soll unser Geheimnis bleiben." "Unser Geheimnis ?" "Ja, unser beider Geheimnis. Genauso wie dieser Ort und alles, was wir heute abend besprochen haben." meinte er und sah sie an. "Achja, wenn du mal mit irgendjemandem reden musst, dann ruf mich einfach an. Okay ? Ich bin für dich da." "Danke." meinte Danielle und ein leichtes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. "Wirklich: Danke." wiederholte sie. Vorsichtig ging sie auf ihn zu und umarmte ihn zaghaft. Dylan erwiderte die Umarmung und so standen sie minutenlang im schwachen Licht der Parkbeleuchtung vor dem Kinderspielplatz des Three Rivers Stadiums. Der Wagen rollte langsam auf den Bürgersteig zu.
Röchelnd erstarb der Motor. Doch niemand stieg aus. Mr. Katimski blieb auf dem Fahrersitz sitzen und starrte in die Nacht. Langsam glitt seine Hand auf den Beifahrersitz und berührte den papiernen Umschlag. Ja, er war noch da. Kalt und flach. Also war es doch kein schlechter Alptraum. Er wusste ganz genau, was sich in diesem Umschlag befand. Nur ein paar Formulare in dreifacher Ausfertigung, sowie die Vorladung. Die Vorladung. Er liess den Umschlag abrupt wieder los als hätte er sich in glühendes Eisen verwandelt und legte beide Hände auf das Lenkrad. Der Schulrat war verflucht schnell gewesen. Schneller als er es erwartet hätte. Schon heute war die erste inoffizielle Sitzung gewesen und für nächste Woche war er slebst vorgeladen. "Vorladung". Was für ein blödes Wort. Natürlich würde er nichts abstreiten. Aber was hatte er den falsch gemacht ? Er hatte öffentlich jemanden geküsst. Es war halt ein Mann gewesen. Warum stürzte sich gleich die gesamte Elternvertreung darauf wie räudige Hunde ? Konnte man ihm denn nicht auch sein privates Leben und vor allem sein eigenes Liebesleben zusgestehen ? Musste denn die Gesellschaft immer alles rechtfertigen ? Aber eigentlich war ihm auch ziemlich egal, was der Schulrat mit ihm anstellte. Sollten sie ihn doch suspendieren. Oder er würde kündigen und sich in einem anderen Staat einen Job suchen. So wie er es schon letztes Jahr getan hatte, bevor er an die Liberty High kam. Aber was sollte mit Rickie geschehen ?
"Hey, Brian-Darling, mir fällt gerade auf - du hast noch gar nicht angemerkt, daß du gerade hunderte von Gesetzen brichst !" rief Rayanne von der Rückbank. Amy blickte irritiert zu Brian und dann zu Rayanne auf den Rücksitz. "Brian hat nämlich eigentlich noch gar keine Fahrerlaubnis." erklärte Rayanne lächelnd, beugte sich nach vorne und lugte über Amy's Schulter. "Oioioi." meinte Amy in einem gekünstelten ernsthaften Ton und grinste Brian an. "Das heisst also, mein tapferer Held hier opfert ganz uneigennützig seine weisse Weste ... und schweigt dazu noch ganz mutig !" "Ja, wie tapfer er doch ist. Wie ein Ritter in eisener Rüstu-, äh ... Auto." neckte Rayanne und stubste Brian leicht an. "Neun !! Neun !!" rief Brian daraufhin laut und schlug auf das Lenkrad. "Neun was ?" "Neun Gesetze !! Ich breche gerade drei Bundesgesetze und sechs Regularien des Staates Philadelphia, darunter mindestens zwei, die ein Strafmass von mindestens 4 Monaten Gefängnis ..." brach es aus Brian heraus und er stoppte erst, als Rayanne, Amy und Danielle bereits derart laut lachten, dass ihnen die Tränen die Wangen hinunterliefen.
Aber auch er konnte ein Grinsen nicht unterdrücken, vor allem als Amy ihren Arm hinter seinen Kopf legte und ihn besänftigend im Nacken kraulte. "Kinder !" grummelte Brian und konzentrierte sich wieder auf den Verkehr. "Ja, Dad !" kommentierte Rayanne von der Rückbank und schnitt eine freche Grimasse, die Dylan und Danielle mit einem Lachen quittierten. Brian hätte ewig so weiterfahren können. Er gehörte zu einer Clique, seine Freundin sass neben ihn, *berührte* ihn und vertraute blind ihm und seinem Fahrkönnen, sie hatten sogar Spass. Er fühlte sich fast schon etwas schuldig, dass er eine so gute Zeit hatte und das nur weil Danielle davongelaufen war. Wie konnte er da so happy sein ? War das nicht unfair ? Er blickte kurz zu Danielle in den Rückspiegel. Na bitte, sie lachte auch schon wieder. "Wann wirst Du eigentlich sechzehn ?" unterbrach Amy seinen Gedankengang. "Bald." antwortete Brian. Er wollte jetzt nicht an seinen Geburtstag denken. Dazu brauchte er Zeit und Ruhe, schliesslich galt es sorgsam zu planen, wie er den ersten Geburtstag seines 'neuen' Lebens verbringen sollte - vor allem seitdem sich jetzt auch noch seine Eltern einmischten. "25. März." antwortete Danielle für ihn. "Oh. *Oh*!!" rief Amy. "Das ist ja ... das ist ja schon *nächste* Woche !!" "Ehm, ja." gab Brian verlegen zu und wackelte unsicher mit dem Kopf, während er in die Einfahrt vor dem Haus der Chases einbog.
"Na, dann müssen wir ja noch eine Party organisieren ! Warum erwähnst Du das auch erst jetzt !? Gee, was da alles zu tun ist." rief sie aufgeregt, während der Wagen zum Halten kam und Brian den Motor abstellte. "Natürlich werde ich helfen !" rief Rayanne dazwischen während er ausstieg. "Klasse !" meinte Amy euphorisch. "Ich glaube, ich habe auch schon eine Idee.... wir müssen unbedingt einen Sleep-Over machen ! Und wir müssen soviele Leute wie möglich einladen !" "Sleep-Over !? Bei mir zuhause ?? Und Rayanne ... ??" meinte Brian mit aufgerissenen Augen und konnte nur hilflos beobachten, wie alle schnell ausstiegen und offenbar gleich mit Rayanne die Planung für seine Geburtstagsfeier anpackte. Schliesslich kroch wieder ein leichtes Lächeln auf Brians Gesicht und er stieg aus, schloss den Wagen ab und ging auf seine Freunde zu, die ihn auf der Veranda der Chases erwarteten. Er liebte sein neues Leben.
"Am liebsten möchte ich sterben." meinte Brian und schaute Amy mit einem Gesichtsausdruck an, der scheinbar all das Leid der Welt in sich vereinigte. Mittlerweile war es spät in der Nacht, Brian und Amy hatten sich gerade von den Chases verabschiedet und standen vor dem Haus der Krakows. Amy's Brüder warteten geduldig in Sean's Wagen. Amy lachte nur. "Nix da." behauptete sie keck und stemmte ihre Arme in die Hüfte. "Wir haben uns bereits ein paar Kleinigkeiten ausgedacht." meinte sie und schob ihn mit dem Rücken an die Haustür. "Kleinigkeiten ?" fragte er unsicher zurück. "Von welchen Dimensionen sprechen wir ?" "Na, na, das würde ja die ganze Überraschung verderben. Und es sind ja noch einige Tage." meinte sie, während ihre Stimme immer leiser wurde.
Lächelnd stellte sie sich auf ihre Zehenspitzen und küsste ihn.